Darum geht es: Der argentinische Staatspräsident Javier Milei konnte bislang Staatsreformen per Dekret umsetzen. Er kam so mit seinen Vorhaben am Parlament vorbei, denn der Kongress hatte ihm weitreichende Sondervollmachten gewährt. Diese Vollmachten sind nun ausgelaufen. Damit könnte es künftig schwieriger werden für Milei, seine Vorhaben durchzudrücken.
Die Macht des Dekrets: «Milei hat via Dekret über 100 staatliche Behörden aufgelöst oder zusammengelegt. Darunter waren auch Wissenschaftseinrichtungen oder die Nachrichtenagentur Telam», sagt Südamerika-Korrespondentin Karen Naundorf. Zudem hat er die Privatisierung von Staatsunternehmen vorbereitet. «Der Staat hat sich aus vielen Bereichen zurückgezogen.» Milei hat auch ein Dekret erlassen, das der Polizei erlaubt, ohne richterliche Anordnung Menschen festzunehmen oder ohne Gerichtsbeschluss Häuser oder Smartphones zu durchsuchen. Ebenfalls wurde der Kauf und Besitz von halbautomatischen Waffen vor Kurzem legalisiert. Die Kontrollinstanzen für Finanzgeschäfte sind geschwächt worden. Es gibt nun weniger Kontrolle gegen Geldwäsche oder Finanzkriminalität. «Es zieht sich eigentlich durch fast alle Bereiche durch», so Naundorf.
Für viele ist der Alltag sehr, sehr schwierig geworden.
Mileis Bilanz: «Das Sparprogramm zeigt eine gemischte Bilanz», sagt Korrespondentin Karen Naundorf. Auf der einen Seite konnte das Haushaltsdefizit gesenkt werden, die Währung wurde künstlich stabilisiert und dadurch auch die Inflation ausgebremst. Allerdings interveniere die Zentralbank regelmässig massiv, und auf Kosten der Devisenreserven. Gereicht habe das Sparprogramm dennoch nicht. «‹Nie wieder Schulden› hatte er im Wahlkampf versprochen. Nun hat er beim Internationalen Währungsfonds angeklopft und einen gigantischen Kredit in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar aufgenommen.» Zwar sei das Ziel, den Staat zu schwächen, erreicht worden, aber ohne dass die Privatwirtschaft diese Lücke gefüllt hätte. So sind etwa im Bausektor über 100'000 Jobs verloren gegangen. Investitionen bleiben aus. «Das gilt auch für die Industrie. Internationale Unternehmen haben sich aus Argentinien zurückgezogen», sagt Naundorf.
Folgen für die Bevölkerung: «Die Löhne sind tief und die Lebenshaltungskosten hoch. Und deshalb ist für viele der Alltag sehr, sehr schwierig geworden», sagt Karen Naundorf. Der Mindestlohn liege bei umgerechnet knapp 200 Franken, und viele Menschen hätten deshalb gleich mehrere Jobs. Der Konsum ist im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. «Die Menschen sparen, wo es irgendwie geht. 200'000 Privatversicherte haben schon ihre Krankenversicherungen gekündigt.»
So könnte es für Milei weitergehen: Mileis Partei hat in beiden Parlamentskammern keine Mehrheit, das bedeutet, dass er jetzt zumindest theoretisch den Konsens suchen müsste. «Auf der anderen Seite bleibt er dennoch mächtig genug, um auch ohne Zustimmung des Parlaments weiterhin Dekrete auszugeben, wenn er auf eine finanzielle Notlage oder Sicherheitsrisiken verweist.»
Es wird sich nun zeigen, ob Milei politische Allianzen suchen wird oder ob sich autoritäre Tendenzen verfestigen
Aber das Parlament habe in der Vergangenheit auch kooperiert, sagt die Südamerika-Korrespondentin: «Das ist auch daran zu erkennen, dass es ihm für ein Jahr die Sondervollmachten, die am Donnerstag ausgelaufen sind, als eine Art Blankoscheck gegeben hatte. Es wird sich nun zeigen, ob Milei überhaupt politische Allianzen suchen wird oder ob sich autoritäre Tendenzen verfestigen.»