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Sparen von Strom und Gas Spanien fungiert als Vorbild bei den Energiesparmassnahmen

Was die Schweiz plant, hat Spanien schon erreicht: Das Land konnte den Stromverbrauch bereits drosseln.

Seit drei Wochen dürfen öffentliche Gebäude nicht mehr unter 27 Grad heruntergekühlt werden. Schaufenster dürfen ab 22 Uhr nicht mehr beleuchtet sein. Bars und Läden müssen die Klimaanlage drosseln. Das gilt in Spanien.

Offenbar läuft es gut mit diesen Sparmassnahmen. In der ersten Woche haben die Spanierinnen und Spanier schon knapp vier Prozent Strom gespart, in der zweiten Woche mehr als acht Prozent, heisst es beim Energieministerium.

Energiefresser Klimaanlage

Ein Erfolg der spanischen Regierung, der vor allem auf die Klimaanlagen zurückzuführen ist. Denn nicht nur in Restaurants und Behörden sind diese installiert. Auch in privaten Wohnungen wird fleissig gekühlt. «Wenn die Klimaanlagen gedrosselt werden, schlägt sich das im Verbrauch nieder», sagt Hans-Günter Kellner, Journalist in Madrid.

Hinzu kommt: S-Bahnen und Regionalzüge sind für Pendlerinnen und Pendler jetzt gratis. «Das ist eher als Entlastung gedacht, bewegt die Leute aber durchaus dazu, auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen», sagt Kellner. Zudem wird der innerstädtische Bus- und U-Bahnverkehr um 30 bis 50 Prozent billiger. 

Menschen sitzen in einer Bahn in Madrid.
Legende: Vergünstigungen ausschliesslich für Pendler: Sie müssen eine konkrete Pendelstrecke benennen, auf der sie dann umsonst fahren dürfen. imago images/Broker Stella

Verständnis in der Bevölkerung zum Energiesparen ist laut dem Journalisten vorhanden. Dennoch höre man Protest . Das politische Klima in Spanien polarisiere schon lange. «Die konservative Opposition trägt die Massnahmen nicht mit. In Gaststätten hört man zum Beispiel, eine Raumtemperatur von 27 Grad sei viel zu heiss.»

Folgen des Ukrainekriegs – und des Klimawandels

Die spanische Regierung hat das Energiesparen nur mit der Gasknappheit durch den Ukrainekrieg begründet. Ein Fehler, findet Hans-Günter Kellner. «Wir erleben die Folgen des Klimawandels gerade in Spanien knallhart. 2022 war der heisseste Sommer, seit es Aufzeichnungen gibt. Trinkwasser wird knapp und rationiert. Die Landwirtschaft hat Probleme.»

Vergleich Spanien und die Schweiz

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In der Schweiz fürchten die Menschen, im Winter zu wenig Strom zu haben. Spanien hat jetzt schon Massnahmen ergriffen. Das liegt auch daran, dass der Sommer in Spanien ein grösseres Problem ist als in der Schweiz, sagt Kellner. «Im Sommer kann man in Spanien viel mehr Energie sparen, weil sehr viele Haushalte eine Klimaanlage haben.»

Der Journalist in Madrid vergleicht Klimaanlage mit Heizungen: «In Madrid ohne Klimaanlage zu leben, ist durchaus vergleichbar mit einem Leben ohne Heizung in der Schweiz. Aber die Debatte, ob 19 Grad im Winter noch eine komfortable Raumtemperatur ist, werden wir hier sicher auch noch bekommen.»

Mit einem effektiven Mangel an Strom rechnet Kellner nicht. Spanien hat mit dem Sommer und dem hohen Energiebedarf bereits einen Härtetest hinter sich. «Im Sommer hatten wir weniger Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Denn im Sommer steuert die Windkraft traditionell wenig bei.» Dazu sind die Wasserkraftwerke aufgrund der grossen Trockenheit fast ausgefallen.

Dennoch hat das Stromsystem funktioniert: «Weil Spanien sich auf dem Weltmarkt relativ gut mit Flüssiggas eindecken kann. Das liegt daran, dass sich Spanien vor etwa zehn Jahren mit den meisten LNG-Terminals in ganz Europa eingedeckt hat. Wenn im Herbst wieder die Windkraft dazukommt, könnte sich die Situation sogar wieder entspannen.»

Tanklager für Gas und Benzin im Hafen von Barcelona
Legende: In Spanien können Gastankschiffe anlegen und Gas in das öffentliche Leitungssystem einpumpen. «Spanien kommt also an Gas, auch wenn es sehr teuer ist», so Kellner. imago images/Kolvenbach

Dennoch ist Spanien vom Gas abhängig – und damit auch vom Gaspreis. Ein Problem, weil der Strompreis an den Gaspreis gekoppelt ist. Und auch Strom aus Sonnenenergie oder Windkraft wird zum Preis von Gas bezahlt. Das ist in ganz Europa der Fall.

«Spanien hat bei der Europäischen Union um eine Reform gebeten, wie der Strompreis ermittelt wird. Das wollte der Rest der Westeuropäer lange Zeit nicht mitmachen.» Seit einigen Monaten hat Brüssel Spanien und Portugal gestattet, das System umzustellen. Tatsächlich sind die Strompreise in Spanien und in Portugal zurückgegangen.

Reform des EU-Strommarktes geplant

Strom ist zwar immer noch sehr teuer, «aber deutlich günstiger als in Frankreich oder Deutschland zum Beispiel», sagt Kellner. Nun hat die Europäische Union eine Reform des gesamten Systems für ganz Europa angekündigt.

SRF 4 News, 01.09.2022, 06:23 Uhr ; 

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