Argentiniens Präsident Javier Milei baut den Staat weiter ab, als Teil seiner Sparpolitik. Zudem treibt er seinen Kultur-Kampf von rechts weiter. Milei macht Druck – nicht nur auf queere Menschen, sondern auch auf Ausländerinnen und Ausländer, auf die Wissenschaft und die freie Presse.
Und dennoch: Die Mehrheit der Bevölkerung steht weiter hinter Mileis Politik. Auch, weil es ihm gelingt, die Inflation zu drücken. Südamerika-Korrespondentin Teresa Delgado ordnet ein.
Wie steht es tatsächlich um die Inflation in Argentinien?
Wenn wir die Gesamtwirtschaft anschauen, hat sich die Lage verbessert. Die Inflationsrate lag zuletzt bei 47 Prozent – Anfang Jahr waren es noch um die 200 Prozent. Prognosen sagen, dass die argentinische Wirtschaft dieses Jahr um bis zu fünf Prozent wachsen wird. Und die Armut ist laut Regierung von fast 60 auf 38 Prozent gesunken.
All diese Zahlen sind jedoch mit äusserster Vorsicht zu geniessen: Es ist bekannt, dass die Regierungen in Argentinien an den Parametern des Statistikamts schrauben, damit die Zahlen möglichst gut aussehen. Die Kaufkraft bleibt schwach. Viele Argentinierinnen und Argentinier klagen über steigende Preise.
Bei seiner Reise nach Europa und Israel hat Milei 20 Milliarden vom IWF erwirkt und ein Flüssiggas-Abkommen mit Italien geschlossen – was bedeutet das?
Mileis Charme-Offensive in Israel dürfte bei der Trump-Regierung in den USA gut ankommen.
Das Abkommen mit Italien verspricht wichtige Investitionen. Nach Jahren der Krise kann Argentinien seine Wirtschaft nicht genug aus eigener Kraft ankurbeln. Es braucht beides: den Sparkurs und Kredite. Die Finanzspritze vom IWF sind aber auch neue Schulden. Wichtig ist, dass Argentinien jetzt nicht in eine neue Schuldenfalle tappt.
Wie beliebt ist Milei in der Bevölkerung?
Laut Umfragen unterstützen ihn etwa 47 Prozent. Er bleibt eine polarisierende Figur. Jeden Mittwoch protestieren die Rentnerinnen und Rentner vor dem Parlament gegen Mileis Sparkurs. In den letzten Monaten haben sich ihnen andere Bevölkerungsgruppen angeschlossen: LGBTQ-Personen, junge Fussballfans, mit denen sich Milei anlegte, ehemalige Staatsangestellte, die Milei entliess. Also das ist inzwischen eine breitere Allianz von Unzufriedenen.
Es gibt auch viel Politikverdrossenheit: Die Lokalwahlen in Buenos Aires im Mai gewann Milei zwar, aber die Beteiligung war ziemlich tief.
Im Oktober stehen Zwischenwahlen an. Was ist da zu erwarten?
Es wird erwartet, dass Milei im Parlament Boden gut machen wird. Zum einen, weil er den Leuten jetzt eben Zückerli bietet, wie Investitionen aus dem Ausland, und die sinkende Inflation. Zum anderen, weil Milei ziemlich alternativlos geworden ist: Diese Woche bestätigte das oberste Gericht des Landes eine mehrjährige Haft-Strafe gegen Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner wegen Korruption. Zudem erteilte ihr das Gericht eine Amtssperre.
Damit ist die wichtigste politische Gegnerin Mileis raus aus dem Rennen. Und die etablierten Parteien haben Altlasten: Sie alle haben in den letzten Jahren irgendetwas verbockt, während Mileis Bewegung nicht vorbelastet ist und jetzt sinkende Inflations-Zahlen vorweisen kann. Milei hofft, dass er sich im Oktober in beiden Parlamentskammern Mehrheiten sichern kann. Dann könnte er für den Rest seiner Amtszeit ziemlich ungebremst durchregieren.