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Aus dem Archiv: Wahlen im Kongo verschoben
Aus Tagesschau vom 20.12.2018.
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Strassenkinder in Kinshasa Vertrieben, gehasst, ausgestossen

Auf den Strassen Kinshasas ist das Leben hart. Besonders verletzlich sind die Kinder, die im Elend leben.

Im Kongo warten die Menschen gespannt auf die Wahlen. Sie sollen nun am 30. Dezember stattfinden, doch ob das geschieht, ist ungewiss. In Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, leben rund 11 Millionen Menschen – meist in Armut.

Unter den vielen, die sich eine Verbesserung ihrer Lebensumstände erhoffen, sind auch die 20’000 Kinder, die in der Hauptstadt Kinshasa auf der Strasse leben. Ihre Zahl hat sich laut UNICEF in den letzten Jahren verdoppelt, ein Drittel von ihnen sind Mädchen. Einige haben ihre Geschichten SRF News erzählt.

Porträt von Martin
Legende: Martin (17 Jahre): «Ich hoffe, dass ich nach diesen Wahlen nicht mehr auf der Strasse leben muss.» SRF / Cristina Karrer

«Mein Vater hat meine Mutter kurz nach meiner Geburt verlassen, danach musste sie mit ihrem Gehalt als Polizistin uns sieben Kinder alleine durchbringen. Im Alter von zwei Jahren stolperte ich über die Feuerstelle, wo meine Mutter unseren Maniok-Brei kochte. Ich habe mein halbes Bein verbrannt und kann seither nicht mehr richtig laufen, denn natürlich hatten wir kein Geld für einen Arzt. Heute ist meine Wade ganz dünn, wie du siehst. Als meine Mutter ihre Arbeit verlor, gab es bei uns zu Hause nichts mehr zu essen. Ein älterer Junge im Quartier erzählte mir vom Leben auf der Strasse und so habe ich im Alter von 12 Jahren meine Familie verlassen.

Ich weiss, dass ich aus meinem Leben nur etwas machen kann, wenn ich eine Ausbildung habe.
Autor: Martin

Ich lebe bereits fünf Jahre vom Betteln. Pro Tag verdiene ich rund zwei Franken, das reicht zum Essen. Ab und zu werden wir von der Polizei verhaftet und für eine Nacht eingesperrt, da wir dem Image der Stadt schaden. Doch am nächsten Tag sind wir wieder auf der Strasse. Ich weiss, dass ich aus meinem Leben nur etwas machen kann, wenn ich eine Ausbildung habe. Darum hoffe ich, dass nun endlich ein Präsident an die Macht kommt, der er es mir ermöglichen wird, die Schule zu beenden und ein Leben als normaler Mensch zu führen. »

Josua von der Seite.
Legende: Josua (14 Jahre): «Ich verstehe nicht, warum man Parkanlagen bewässert, anstatt etwas für die Menschen zu tun». SRF / Cristina Karrer

«Mein Vater war in der kongolesischen Armee und ist im Krieg im Osten gefallen. Doch die Armee hat meiner Mutter nicht geholfen, es gab nichts zu essen, so beschloss ich, auf der Strasse zu leben. Ich hatte Glück. Ein älterer Junge, dessen Vater ebenfalls im Krieg fiel, besass einen Lappen und reinigte Autos. Er nahm mich unter seine Fittiche, nun bin ich sein Assistent und wir teilen die kargen Einnahmen. Wir leben auf einem begrünten Platz, der bei den Einwohnern beliebt ist. Hier gibt es viele Autos zu waschen und hier werden wir auch nicht von den älteren Jungs belästigt, die entlang des grossen Boulevards leben.

Es wäre ja schön, ich hätte magische Kräfte, dann könnte ich mich aus diesem Dasein in eine Villa zaubern.
Autor: Josua

Ich gehe ab und zu nachhause, doch nur in der Nacht, wenn mich niemand sieht. Meine Mutter will mich nicht mehr, sie glaubt wie viele andere, dass ich ein Hexenkind bin. Ja, das denken viele hier in Kinshasa von uns Strassenkindern. Es wäre ja schön, ich hätte magische Kräfte, dann könnte ich mich aus diesem Dasein in eine Villa zaubern und hätte für den Rest meines Lebens ausgesorgt. Doch nein, ich werde wohl immer auf der Strasse leben. Zum Glück befinden sich gleich in der Nähe die Baracken der Armee. Die Soldaten haben ein gutes Herz und bringen uns immer wieder Essensreste. Sie sind wahre Menschen – im Unterschied zum Staat, der Männer in einem sinnlosen Krieg sterben lässt und sich nicht um die Hinterbliebenen kümmert.»

Zwei Personen gehen gegen rechts.
Legende: Frida (12 Jahre): «Ich gehöre zu den wenigen Mädchen, die sich nicht prostituieren.» SRF / Cristina Karrer

«Es gibt nicht viele Mädchen, die auf der Strasse leben. Es ist gefährlich für uns. Wir können jederzeit vergewaltigt werden. Vor allem in der Nacht, wenn wir ungeschützt draussen schlafen müssen. Häufig sind es Strassenjungs, die uns nachstellen. Ich habe einen kleinen Vorteil, da ich mit meinem Onkel zusammen bin. Er ist seit Geburt blind und befindet sich schon sein halbes Leben auf der Strasse.

Mein Onkel ist der einzige Mensch auf der ganzen Welt, dem ich trauen kann.
Autor: Frida

Da wir Zuhause zu viele sind, die es zu ernähren gilt, hat mich meine Mutter vor zwei Jahren rausgeworfen. Sie hat mich gezwungen, meinem Onkel beim Betteln zu helfen. Ich sehe für ihn, ich lotse ihn über den Gehsteig, durch den chaotischen Verkehr und klopfe für ihn an die Fensterscheiben der wartenden Autos. Wir erbetteln fast immer soviel, dass wir ein Stück Maniok kaufen können. Mein Onkel ist der einzige Mensch auf der ganzen Welt, dem ich trauen kann. Ich weiss schon jetzt, dass meine Welt an dem Tag zusammenbrechen wird, an dem er stirbt.»

Jacques auf einem Platz stehend
Legende: Jacques (14 Jahre): «Ich nehme Drogen, um all das Schlimme aus meinem Kopf zu verbannen.» SRF / Cristina Karrer

«Ich müsste eigentlich nicht auf der Strasse leben, ich habe einen Vater und eine Mutter, doch sie haben sich immer gestritten; es wurde mir einfach zuviel. Vor fünf Jahren bin ich weggelaufen und seither bin ich Teil einer coolen Gruppe. Wir schlafen alle auf einem zerfallenen Boot, das am Ufer des Flusses Kongo liegt. Dorthin darf man eigentlich nicht, es ist abgesperrtes Gebiet, doch klettern wir einfach über den Zaun, wenn es dunkel ist.

Am liebsten würde ich gar nicht mehr denken können.
Autor: Jacques

Ich verdiene mein Geld, indem ich vor den Autos tanze, wenn mal wieder Stau herrscht. Und der herrscht hier eigentlich täglich. Die Musik dazu habe ich in meinem Kopf. Tanzen entspannt mich, sonst eigentlich nur Drogen. Wir in der Gruppe rauchen alle ein wirklich starkes Gras, das mir so richtig schön den Kopf vernebelt. Am liebsten würde ich gar nicht mehr denken können. Denn was in meinem Land läuft, ist nur schlimm. Überall herrscht Elend. Da geht es mir schon richtig gut.»

«Die Nächte sind für mich am schlimmsten. Ständig schikaniert uns die Polizei, jagt uns weg, weckt uns auf. Ich habe seit dem Jahr, in dem ich auf der Strasse lebe, kaum richtig geschlafen. Ein richtiges Zuhause hatte ich seit dem Tode meiner Mutter nicht mehr. Sie versuchte mit allen Kräften, uns sieben Kinder durchzubringen, nachdem mein Vater mit einer anderen durchgebrannt war. Nach ihrem Tod zog ich zu meinem gebrechlichen Grossvater und pflegte ihn, bis er ebenfalls starb.

Ein obdachloser Mann nahm mich und andere Jungs unter seine Fittiche.
Autor: Isaac

Was blieb mir anderes übrig als auf die Strasse zu ziehen? Am Anfang war es schon hart, ich kannte niemanden. Doch ein obdachloser Mann nahm mich und andere Jungs unter seine Fittiche. Wir betteln, er schaut, dass wir alle etwas in den Bauch kriegen. Ich habe mir sogar eine Hose und ein T-Shirt kaufen können. Auf einem Markt für Secondhand-Kleider. Für anderthalb Franken. Diese Kleider müssen nun für ein Jahr reichen, denn einen solchen Luxus kann ich mir so schnell nicht wieder leisten.»

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