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Streit um Grenzziehung Somalia und Kenia streiten sich um potenzielle Goldgrube

Der IGH in Den Haag soll entscheiden, wem das umstrittene Gebiet gehört. Ob das helfen wird, bleibt aber unklar.

Sechs Nachmittage hatten sich die Richter am Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag für die Anhörungen zur umstrittenen Seegrenze zwischen Somalia und Kenia reserviert. Dreimal mehrere Stunden – pro Partei. Wegen Corona zum Teil virtuell, teils physisch vor Ort. Die Vertreter Somalias haben diese Zeit ausführlich genutzt, haben Anwälte und Gutachter zugeschaltet, Argumente, Dokumente und Karten vorgelegt.

Die Sitze der kenianischen Delegation hingegen blieben die ganze Zeit leer. Und so beendete Gerichtspräsidentin Joan Donoghue die Anhörungen vorzeitig nach nur 8 Minuten.

Worum geht es?

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Der Fall dreht sich um rund 160'000 Quadratkilometer im Indischen Ozean. Es ist ein Gebiet, etwa so gross wie Tunesien. Reich an Fischbeständen und auch an Erdöl und Gas. Potenziell also eine Goldgrube.

Es war Somalia, das den Streit um die Grenzziehung 2014 an den Internationalen Gerichtshof zog. Weil man auf bilateralem Weg nicht weitergekommen sei, weil die Positionen unversöhnlich waren.

«Wichtig für Somalia, wie Gericht urteilt»

Kenia hatte kurz vor Beginn der Anhörungen am Montag abgesagt. Unter anderem, weil man sich wegen der Corona-Pandemie nicht adäquat habe vorbereiten können. Und so – heisst es aus Nairobi – weil eine virtuelle Anhörung ungeeignet sei für einen solch komplexen Fall.

Es seit wichtig für Somalia, wie das Gericht urteilt, sagte denn auch Mahdi Mohamed Guled, der stellvertretende somalische Premierminister bei der Anhörung in Den Haag. «Es würde uns Zugang zu Ressourcen geben, die uns rechtlich zustehen, und die uns möglicherweise entscheidendes Kapital verschaffen, um künftig die Stabilität und den Wohlstand unserer Nation zu sichern. Unserer Nation, die nach jahrelangem Krieg, nach Katastrophen und Terroranschlägen nach und nach wieder auf die Beine zu kommen versucht.»

Kenia wirft Somalia Expansionspläne vor

Somalias Regierung möchte, dass die Grenze zwischen den beiden Nachbarn auf dem Meer so weiterläuft wie die Landesgrenze. Nämlich diagonal in Richtung Südosten, was Somalias Anteil an den Erdöl- und Gasreserven vergrössern würde.

Die Kenianische Regierung hingegen wirft Somalia eine expansionistische Agenda vor und besteht darauf, dass die Grenze parallel zum Breitengrad in Richtung Osten verlaufe. Das sei seit einer präsidialen Erklärung von 1979 so, und Somalia habe das jahrzehntelang so akzeptiert.

Strand.
Legende: Über die Frage nach der Grenzziehung zwischen Somalia und Kenia wird der Gerichtshof in Den Haag entscheiden müssen. Wikipedia Commons/Luca Boldrini

Kenia soll bereits Förderlizenzen für Öl an internationale Firmen verkauft haben. Aber auch Somalia hat, so heisst es, bereits Ölfelder versteigert. Es wurde und wird gestritten, manchmal gedroht und auch provoziert – auf allen Ebenen. Kurz: Die diplomatischen Beziehungen zwischen den Nachbarn sind angespannt.

Büchse der Pandora würde sich öffnen

Die kenianische Regierung argumentiere unter anderem damit, erklärt Aggrey Mutambo, der für die grösste Tageszeitung in Kenia über Aussenpolitik schreibt, dass Kenias Seegrenze zu Nachbar Tansania weiter südlich ebenfalls gerade nach Osten führe.

Falls nun der internationale Gerichtshof entscheiden würde, dass die Grenze so verlaufen müsse, wie dies Somalia wolle, habe das Auswirkungen auf die Kenianisch-Tansanische Seegrenze, auch auf die Seegrenzen zwischen Tansania und Mosambik, und auch auf diejenige zwischen Mosambik und Südafrika. Und damit würde man wohl die Büchse der Pandora öffnen.

Wird das Urteil akzeptiert?

Ein Rattenschwanz, der nicht unbedingt zur Stabilität in der Region beitragen würde. Kenia macht ausserdem auch keinen Hehl daraus, dass es den IGH nicht als den Ort ansieht, an dem dieser Streit entschieden werden soll.

Und so scheinen die Fronten verhärtet, ein Kompromiss derzeit nicht möglich. In einigen Wochen werden die Richter am internationalen Gerichtshof in Den Haag ihr Urteil sprechen. Es ist bindend, für beide Seiten. Ob es am Ende auch von beiden Konfliktparteien akzeptiert wird, steht auf einem anderen Blatt.

Echo der Zeit, 18.3.2021, 18:00 Uhr

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