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Pekings ungerechtfertigte Ansprüche im Chinesischen Meer
Aus SRF 4 News aktuell vom 18.01.2023. Bild: Keystone/EPA/Francis R. Malasig
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Streit um Neuland «China beansprucht Meeresgebiete, die ihm gar nicht gehören»

Im Südchinesischen Meer tauchen immer mehr neue Inseln auf – dort, wo früher Riffe waren. Hinter diesen Aufschüttungen stehe China, sagen Fachleute. Peking wolle damit seine Kontrolle in der Region ausbauen. Denn das Südchinesische Meer ist unter anderem als Schifffahrtsroute von strategischer Bedeutung. Völkerrechtsprofessorin Anna Petrig erklärt, dass das chinesische Vorgehen nicht im Einklang mit dem Seerecht steht.

Anna Petrig

Anna Petrig

Völkerrechtsprofessorin

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Anna Petrig ist eine Schweizer Juristin und Professorin für Völkerrecht und Öffentliches Recht an der Universität Basel. 2019 wurde Petrig als Ad-hoc-Richterin an den Internationalen Seegerichtshof berufen, um den Streitfall eines Schweizer Tankers zu verhandeln, der über 17 Monate von Nigeria festgehalten wurde.

SRF News: Kann China weiter Inseln aufschütten, sich aber gleichzeitig ans Völkerrecht halten?

Anna Petrig: China unternimmt diese Landgewinnung und Bebauungsmassnahmen, um kleine Felsen zu grossen Gebilden auszubauen. Zum Teil geschieht das mit mehreren Kilometer langen Landepisten und Militärinfrastruktur. Und China behauptet, diese Gebilde im Meer seien Inseln und nicht bloss Felsen. Im Gegensatz zu Inseln schaffen Felsen nämlich keine grossen Meeresgebiete für den Staat.

Das führt dazu, dass China Meeresgebiete beansprucht, die ihm gemäss Seerecht gar nicht gehören, sondern anderen Staaten zustehen, zum Beispiel den Philippinen. China führt auch Aktivitäten in diesen Meeresgebieten durch, wie Fischerei oder Militärübungen, die eigentlich nur ein Staat, der eben Anspruch auf dieses Gebiet hat, durchführen darf. Somit verletzt China auch die Rechte anderer Staaten.

Was ist mit Seerecht gemeint?

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Das Seerecht ist ein Teil des Völkerrechts (auch Internationales Öffentliches Recht), der sich mit den Rechten der Schifffahrt, den Rechten an Bodenschätzen, der Gerichtsbarkeit über Küstengewässer und den maritimen Beziehungen zwischen Staaten befasst. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 wurde von 167 Ländern und der Europäischen Union angenommen. Streitigkeiten werden in der Regel vor dem internationalen Seegerichtshof in Hamburg entschieden.

China hat das Seerechtsübereinkommen unterzeichnet, hält aber offensichtlich nicht viel von dessen Regeln. Kann China sanktioniert werden?

Nun, die eine Möglichkeit besteht darin, China vor Gericht zu bringen. Das haben die Philippinen 2013 gemacht. Es ist aber so, dass das Seerechtsübereinkommen vorsieht, dass alle Vertragsstaaten zustimmen müssen, vor Gericht gebracht werden zu können. China blieb diesem Verfahren fern. Es hat den Schiedsspruch nicht anerkannt.

Das Schiedsgericht hat Chinas Ansprüche im Südchinesischen Meer weitgehend für rechtlich unwirksam erklärt.

Aber die Position der Philippinen wurde gestärkt: Das Schiedsgericht hat Chinas Ansprüche im Südchinesischen Meer weitgehend für rechtlich unwirksam erklärt. Und das Schiedsgericht hat auch geklärt, was eine Insel ist und was bloss ein Fels. Diese Klärung ist ganz wichtig in diesem Kontext.

Die wichtige 12-Meilen-Zone

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Das Küstenmeer ist nach der Definition des Seerechtsübereinkommens ein Gürtel von Gewässern, der sich bis zu 12 Seemeilen (22 km) von der Basislinie eines Küstenstaats erstreckt. Dieses Gebiet wird als souveränes Territorium des Staates betrachtet, obwohl ausländischen Schiffen die friedliche Durchfahrt gestattet ist. Wenn sich dieses Gebiet mit dem Küstenmeer eines anderen Staates überschneidet, wird oft die Grenze als mittlerer Punkt zwischen den Grundlinien der beiden Staaten festgelegt. Je nach Grösse eines von Wasser umgebenen Stück Landes vor der Küste einen Staates wird die Basislinie alternativ gezogen. Somit verändert sich auch der Anspruch auf ein Territorium.

Die Aufschüttung von Inseln läuft seit Jahren. Mittlerweile werden diese auch zu bewohnten Gebieten ausgebaut. Wie lange kann China so noch weitermachen?

Es hängt unter anderem davon ab, wie andere Staaten auf diese Politik reagieren. Einige Staaten, allen voran die USA, führen regelmässig sogenannte «Freedom of Navigation Operations» durch. Das heisst, dass sie mit Kriegsschiffen die Meeresgebiete, die China für sich beansprucht, durchfahren. Dadurch stellen sie klar, dass sie die Ansprüche von Peking nicht anerkennen.

Denn China macht oft geltend, dass ein bestimmtes Gebilde ein Küstenmeer von zwölf Seemeilen generiere. Obwohl das im rechtlichen Sinne dann vielleicht nicht zutrifft, würde dies bedeuten, dass Drittstaaten nur auf direktem Kurs dieses Küstenmeer durchfahren dürfen. Sie dürften nicht anhalten und keine Manöver durchführen.

Es kommt bisweilen auch fast zu Kollisionen oder Zwischenfällen.

Die USA machen aber geltend, dass dieses Meeresgebiet hohe See sei. Deshalb fahren sie durch diese Gebiete, führen Manöver durch und halten an. Manchmal wird auch eine Mann-über-Bord-Übung gemacht. Washington tut dies, um klarzumachen, dass das Gebiet allen Staaten offen stehe und nicht etwa ein Teil von China sei. Peking akzeptiert dies oft nicht und es kommt bisweilen auch fast zu Kollisionen oder zu Zwischenfällen bei den Übungen.

Das Gespräch führte Nico Bär.

SRF 4 News, 18.01.2023, 06:20 Uhr;

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