Zum Inhalt springen

Streit um Rechtsprechung Oberster US-Bundesrichter weist Trump in die Schranken

  • Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten, John Roberts, hat Kritik des US-Präsidenten Donald Trump mit deutlichen Worten gekontert.
  • «Wir haben keine Obama-Richter oder Trump-Richter, Bush-Richter oder Clinton-Richter», erklärte Roberts.
  • Zuvor hatte Präsident Donald Trump einigen Bundesrichtern Parteilichkeit vorgeworfen.

Roberts
Legende: Roberts war einst von den Republikanern eingesetzt worden und bricht im Disput mit Trump nun eine Lanze für die Unabhängigkeit der Justiz. Keystone

Diesen Vorwurf weist John Roberts, Vorsitzender des Supreme Courts, mit aller Deutlichkeit zurück. Vielmehr gebe es eine herausragende Gruppe engagierter Richter, welche ihr Bestes täten und jeden vor Gericht nach gleichen Massstäben des Rechts behandelten, betonte der konservative Jurist. «Diese unabhängige Justiz ist etwas, für das wir alle dankbar sein sollten.» Zur Erinnerung: Roberts wurde 2005 vom damaligen republikanischen Präsidenten George W. Bush als Richter für den Obersten Gerichtshof nominiert und daraufhin vom Senat bestätigt.

Diese unabhängige Justiz ist etwas, für das wir alle dankbar sein sollten.
Autor: Justice John Roberts Vorsitzender Oberstes Bundesgericht (Supreme Court)

US-Präsident Donald Trump seinerseits liess die Zurechtweisung des Obersten Bundesrichters nicht unwidersprochen – und teilte erneut gegen die Justiz aus. «Sorry, Richter John Roberts», schrieb er zu Beginn einer Tweet-Serie, es gebe sehr wohl «Obama-Richter» – und die hätten ganz andere Ansichten als jene, die für die Sicherheit im Land zuständig seien.

Im Neunten Gerichtsbezirk würden demnach besonders viele Entscheidungen zum Thema Grenze und Sicherheit gekippt. Die Zahlen seien schockierend, und die Entscheidungen machten das Land unsicher.

Bundesrichter stoppt Asylverschärfung

Auslöser für Trumps Wutausbruch ist eine richterliche Entscheidung vom vergangenen Montag. Darin hatte ein Bundesbezirksrichter in San Francisco die jüngste Verschärfung der geltenden Asylregeln in den USA mittels einstweiliger Verfügung gestoppt. Das Gericht gab damit einer Klage von Organisationen Recht, die für die Rechte von Einwanderern eintreten. Trump attackierte daraufhin den zuständigen Richter Jon Tigar und warf ihm Parteilichkeit vor: Er bezeichnete Tigar als «Obama-Richter», da dieser von seinem Amtsvorgänger Barack Obama eingesetzt worden war.

Trump beklagte sich zugleich über den gesamten Gerichtsbezirk, zu dem Tigar gehört. «Bei jeder Klage, die im Neunten Gerichtsbezirk eingereicht wird, werden wir geschlagen», sagte Trump. Das werde so nicht weitergehen. «Der Neunte Gerichtsbezirk ist wirklich etwas, das wir uns anschauen müssen. Es ist eine Schande.»

Aufteilung der Gerichtsbezirke

Box aufklappen Box zuklappen

Die Bundesbezirksgerichte, auch United Staates District Courts genannt, wurden in insgesamt 11 Bezirke aufgeteilt. Der Neunte Gerichtsbezirk erstreckt sich dabei über mehrere US-Bundesstaaten – darunter Kalifornien und Nevada. Somit handelt es sich beim neunten Gerichtsbezirk um den Grössten des Landes.

Das Gericht entscheidet mitunter über Zivil- und Strafrechtsfragen in erster Instanz. Die Richter am Bundesbezirksgericht tragen den Namen «United Staates District Judge».

Weisses Haus spricht von «aktivistischen Richtern»

Nach Trumps Überzeugung steuern ausserdem bestimmte Gruppen und Anwälte, die etwa gegen eine strengere Asyl- und Grenzpolitik sind, gezielt den Neunten Gerichtsbezirk an, um Entscheidungen anzufechten – weil sie dort auf Richter zu treffen hoffen, die ihrem Kurs gewogen seien. Das Weisse Haus sprach denn auch von «aktivistischen Richtern», die gegen den Willen der Bevölkerung eine Politik der offenen Grenzen durchsetzen wollten.

Oberster Gerichtshof als Zünglein an der Waage

Box aufklappen Box zuklappen

Die Politik in den USA spaltet die Gesellschaft. Die Gräben zwischen Links und Rechts sind mittlerweile so gross, dass der Oberste Gerichtshof in letzter Instanz über Fragen entscheiden muss, in der die Politik keinen Konsens finden konnte. Dazu gehört das Recht auf Abtreibung, der Klimaschutz, das Recht Waffen zu tragen, die Ehe für Alle oder die Frage, wie das Gesundheitssystem in den USA ausgestaltet sein soll. Entsprechend hitzig wird über den politischem Einfluss auf das Gremium debattiert, dessen neun Richter vom Präsidenten auf Lebenszeit ernannt werden und wegweisende Urteile für das Land fällen.

Nach dem altersbedingten Rückzug des moderaten Richters Anthony Kennedy hatte Trump kürzlich gegen allergrösste Widerstände die Berufung seines konservativen Wunschkandidaten Brett Kavanaugh an den Supreme Court durchgesetzt – und so das politische Kräfteverhältnis am Gericht nach rechts gerückt. Davor stand einem liberalen Block aus vier Richtern ein konservativer Block aus vier Richtern gegenüber.

John Kennedy selbst hatte als neunter Richter mal mit seinen liberalen, mal mit seinen konservativen Kollegen gestimmt.

Dass sich Mitglieder des Supreme Court öffentlich zur Tagespolitik äussern, ist ungewöhnlich. Dass Roberts mit knappen, aber doch kritischen Worten direkt dem Präsidenten zu widersprechen scheint, lässt erst recht aufhorchen. Zudem ist es nicht alltäglich, dass ein US-Präsident die Unabhängigkeit der Justiz wiederholt in Frage stellt und einzelne Richter wegen unliebsamer Urteile rügt.

Meistgelesene Artikel