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Sturm auf Regierungsviertel in Brasilia
Aus Tagesschau vom 09.01.2023.
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Sturm auf Regierungsviertel Angriff auf Brasiliens Demokratie: die wichtigsten Antworten

Anhänger des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro haben das Regierungsviertel in Brasilia verwüstet. Ein Überblick.

Was ist passiert? Radikale Anhängerinnen und Anhänger des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro haben in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia das Regierungsviertel am Sonntag gestürmt. So hat der Mob im Kongress-Gebäude, im Obersten Gerichtshof und im Präsidentenpalast Verwüstungen angerichtet. Auf Video-Aufnahmen örtlicher Medien war zu sehen, wie mehrere Tausend Menschen in den Gebäuden Fenster einwarfen und Möbel zerstörten.

Wie sieht die derzeitige Situation aus? Rund 1200 Unterstützer Jair Bolsonaros sind vorläufig festgenommen worden. Sicherheitskräfte räumten ein Camp der Bolsonaro-Anhänger vor und setzten die Aktivisten vorübergehend fest, wie das Nachrichtenportal «G1» berichtete. Die Menschen seien in rund 40 Bussen weggebracht worden.

Karte der Haupstadt Brasilia
Legende: SRF

Der Gouverneur des Bundesbezirks rund um die Hauptstadt ist am Montagmorgen (Ortszeit) vorübergehend seines Amtes enthoben worden. Ibaneis Rocha werde zunächst für 90 Tage suspendiert, ordnete der Oberste Gerichtshof an. Trotz deutlicher Hinweise auf gewalttätige Aktionen habe der Gouverneur nichts unternommen, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, sagte Richter Alexandre de Moraes.

Was ist in den Wochen vor den Ausschreitungen geschehen? Seit diesem Monat hat Brasilien mit Luiz Inácio Lula da Silva einen neuen Präsidenten. Der 77-Jährige legte am 1. Januar seinen Amtseid ab. Lula war bereits von 2003 bis 2010 Präsident. Gewählt wurde er knapp: Der linksgerichtete Lula erhielt in der Stichwahl im vergangenen Oktober etwas weniger als 51 Prozent der Stimmen, sein Kontrahent und damaliger Präsident Jair Bolsonaro etwas mehr als 49 Prozent.

«Ungeheuerlich»: Welt verurteilt Sturm auf das Regierungsgebäude

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Diverse Staaten und Organisationen haben den Sturm auf das Regierungsgebäude der Anhängerschaft von Jair Bolsonaro verurteilt. In der Region stellten sich unter anderem Chile, Kolumbien, Argentinien, Venezuela und Kuba hinter Lula. Kolumbiens Präsident Gustavo Petro erklärte: «Der Faschismus hat sich zu einem Putsch entschlossen. Argentiniens Staatschef Alberto Fernández schrieb: «Meine bedingungslose Unterstützung und die des argentinischen Volkes für Lula gegenüber diesem Putschversuch(...).» Chiles Präsident Gabriel Boric sprach von einem «feigen und gemeinen Angriff auf die Demokratie».

Das Schweizer Aussendepartement EDA hat bereits auf Twitter verlauten lassen, dass man mit Sorge auf die gewalttätigen Aktionen blicke und die Unterstützung für die brasilianischen Institutionen und die Demokratie bekräftige. Auf Twitter drückte Bundespräsident Alain Berset zudem seine Solidarität mit dem brasilianischen Volk und Präsident Lula da Silva aus.

Der US-Präsident Joe Biden bezeichnete derweil am Sonntag die Stürmung bei einem Besuch im Bundesstaat Texas nach Angaben seiner Sprecherin als «ungeheuerlich». Der Nationale Sicherheitsberater Bidens, Jake Sullivan, schrieb zudem auf Twitter: «Die Vereinigten Staaten verurteilen jeden Versuch, die Demokratie in Brasilien zu untergraben.» Mehrere prominente Vertreter der Demokratischen Partei im Kongress verlangen zudem die Ausweisung von Ex-Präsident Bolsonaro. Dieser hält sich zurzeit in Florida auf.

Die Europäische Union hat Lula derweil ihre Unterstützung zugesichert. «Die EU verurteilt die antidemokratischen Akte der Gewalt, die im Herzen des Regierungsviertels von Brasilia stattgefunden haben», teilte der Aussenbeauftragte Josep Borrell am Sonntagabend mit. Die EU sage Präsident Lula erneut ihre volle Unterstützung zu und gebe ihre Solidarität mit den demokratischen Institutionen zum Ausdruck, die bei diesem Angriff zum Ziel geworden seien. «Die brasilianische Demokratie wird über Gewalt und Extremismus siegen», hiess es weiter.

Auch die deutsche Bundesaussenministerin Annalena Baerbock hat sich zu den Geschehnissen geäussert. «Was in Brasilia passierte, war ein feiger und gewalttätiger Angriff auf die Demokratie», schrieb die Grünen-Politikerin am Montagmorgen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Deutschlands ganze Solidarität gelte dem brasilianischen Volk, seinen demokratischen Institutionen sowie dem aktuellen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.

Anhängerinnen und Anhänger von Bolsonaro haben unmittelbar mit Ausschreitungen auf die Wahlniederlage des Rechtspopulisten reagiert. Sie blockierten zahlreiche Fernstrassen, setzten Autoreifen in Brand und errichteten Barrikaden. Zuvor hatte Bolsonaro, ähnlich wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump nach seiner Niederlage gegen Joe Biden, Zweifel am Wahlsystem gesät. Zugleich hatte Bolsonaro seine Niederlage nie ausdrücklich anerkannt.

Wieso kam es zu den Ausschreitungen? Die Rhetorik von Jair Bolsonaro ist wohl der grösste Grund, weshalb das Regierungsviertel gestürmt wurde. Seit Jahren sagt Bolsonaro seinen Anhängerinnen und Anhängern, sie sollen sich bewaffnen, der harte Kern hat dies auch tatsächlich getan – notabene auch wegen Bolsonaros lockeren Waffengesetzen.

Lula machte daher auch Bolsonaro für die Stürmung des Regierungsviertels verantwortlich. Auf Twitter schrieb er, dass Bolsonaro diese Art von Gewalt in früheren Reden befürwortet hatte.

Hat Bolsonaro auf die Stürmung des Regierungsviertels reagiert? Jair Bolsonaro hat den Sturm auf das Regierungsviertel verurteilt. Mit der Erstürmung von Regierungsgebäuden werde eine Linie überschritten, so der ehemalige Präsident. Gleichzeitig wies er auf Twitter die «Anschuldigungen» Lulas zurück.

Gleichzeitig liess Bolsonaro nicht davon ab, den Sturm auf das Regierungsviertel zu relativieren. So verglich er die Geschehnisse unter anderem mit den mehrheitlich friedlichen Demonstrationen in Brasilien vom Jahr 2013.

Das US-Technologieunternehmen Meta kündigte an, Kommentare zur Unterstützung des Angriffs in den sozialen Netzwerken löschen zu wollen.

Einschätzung der SRF-Südamerikakorrespondentin

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Gemäss der SRF-Südamerikakorrespondentin Karen Naundorf gab es Anzeichen, dass es zu den Gewaltakten kommen könnte. So habe die Polizei, die für den Schutz des Senats zuständig sei, bereits am Samstag Verstärkung angefordert. Das gebe Anlass zur Sorge, so Naundorf weiter: «Zum einen, weil die Verstärkung nicht kam und zum anderen, weil der Hilferuf vom Gouverneur des Hauptstadtdistrikts ignoriert wurde.» Dieser sei ein Alliierter von Bolsonaro.

Egal wie sich die Situation entwickle, sei das schon jetzt ein enormer Erfolg für die Anhänger von Bolsonaro. Trotz allem sagte Naundorf einige Stunden nach Ausbruch der Gewalt: «Bisher hat sich noch kein namhafter Politiker der Bolsonaro-Partei auf die Seite des Mobs gestellt.»

SRF 4 News, 09.01.2023, 06:00 Uhr;

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