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Tamilen und Singhalesen Sri Lanka – ein Land kommt nicht zur Ruhe

Der blutige Bürgerkrieg in Sri Lanka endete vor 15 Jahren. Doch die Narben sind nicht verheilt. Kriegsverbrechen wurden nicht aufgeklärt, Zehntausende Tamilinnen und Tamilen bleiben vermisst.

In Kilinochchi, einer Stadt im tamilischen Norden Sri Lankas, treffen sich seit Jahren jeden Monat rund ein Dutzend Frauen, um gegen das Vergessen zu demonstrieren. An eine Wand haben sie Fotos ihrer Liebsten gepinnt. Die meisten Fotos sind verblichen. Jogarasa Kanakarangini wartet seit Mai 2009 darauf, ihren Sohn Amalan noch einmal in die Arme zu schliessen. «Amalan hat im Bürgerkrieg mit den Tamil Tigers für einen unabhängigen Tamilenstaat gekämpft, sich aber sofort nach der Niederlage ergeben», sagt sie. «Da war er 22.»

Bürgerkrieg in Sri Lanka (1983 – 2009)

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Am 23. Juli 1983 verübten tamilische Separatisten der Tamil Tigers einen Anschlag auf eine Militäreinrichtung im Norden der Insel. 13 Soldaten starben. Es folgten landesweite Pogrome gegen die tamilische Minderheit, vor allem im Norden und Osten Sri Lankas. Bis zu 5000 Tamilinnen und Tamilen starben, mindestens 100'000 flüchteten in andere Landesteile oder ins Ausland, auch in die Schweiz .

Es sollte der Beginn eines knapp 30-jährigen Bürgerkrieges werden. Auf der einen Seite die Tamilen, angeführt von den «Tamil Tigers», auf der anderen Seite die singhalesisch dominierte Regierung. Die Tamilen kämpften für einen eigenen Staat. Denn seit den 1970er-Jahren fühlten sie sich von der Mehrheit unterdrückt – ihre Sprache nicht anerkannt, der Zugang zum Bildungssystem beschränkt. Erst im Mai 2009 ging der Krieg nach einer brutalen Offensive der Regierungstruppen zu Ende. Die Kriegsverbrechen sind bis heute nicht aufgearbeitet.

Amalan ist einer von Zehntausenden Tamilinnen und Tamilen, die seit dem fast 30-jährigen Bürgerkrieg verschwunden sind. Nicht nur frühere Kämpfer, auch viele Zivilistinnen und Zivilisten werden noch immer vermisst. Die Angehörigen haben keinerlei Hinweise, wo sie geblieben sind.

«Unsere Kinder haben nur gekämpft, weil sie diskriminiert wurden», sagt Jogarasa Kanakarangini. Doch in den Augen der singhalesisch dominierten Regierung Sri Lankas sind die tamilischen Vermissten Terroristen. Sie hätten einen tödlichen Unabhängigkeitskampf gegen den rechtmässigen Staat geführt. Die separatistische Gefahr sei noch immer nicht gebannt. Die Kontrolle der tamilischen Minderheit mithilfe von Militär und Geheimdiensten sei daher gerechtfertigt.

Keine Versöhnung, keine Aufklärung

So sieht das auch der singhalesische Politiker und Sicherheitsexperte Sarath Weraseekara. «Wir haben jetzt Frieden im Land. Aber einige Landesteile wollen sich immer noch abspalten. Das werden wir nie erlauben. Darum sind wir ständig in Alarmbereitschaft – im Interesse des ganzen Landes.»

Tausende der Vermissten hätten sich ins Ausland abgesetzt und Asyl beantragt, behauptet der frühere Marine-Chef, ohne das belegen zu können. «Weil sie nicht zurückwollen nach Sri Lanka, sammeln sie im Ausland Geld für einen neuen Krieg», sagt der einflussreiche singhalesische Politiker.

Die UNO belässt es bei Berichten

Gajendrakumar Ponnambalam hört das mit Sorge. Er ist Präsident der tamilischen nationalen Volksfront – eine politische Allianz, die die tamilische Minderheit im Parlament vertritt. Er kämpft für einen föderalen Staat, in dem alle ethnischen Gruppen gleiches Gewicht haben. Er sagt: «Das heutige Sri Lanka ist ein rassistischer Staat.»

Kein singhalesischer Führer sei auf die Wählerstimmen der tamilischen Minderheit angewiesen, sagt Ponnambalam. «Für die singhalesische Mehrheit sind Tamilen entbehrlich.» Auch deshalb habe die Regierung kein Interesse an Rechenschaft und Versöhnung, auch nicht 15 Jahre nach dem Krieg.

Die tamilische Minderheit in Sri Lanka

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Die Tamilen machen heute gut elf Prozent der Bevölkerung Sri Lankas aus. Die meisten leben im Norden und Nordosten. Gemäss Berichten von Menschenrechtsorganisation wie Human Rights Watch und des UNO-Menschenrechtsrates wird die überwiegend hinduistische tamilische Bevölkerung noch immer von der buddhistisch-singhalesischen Mehrheit diskriminiert.

Als Beispiele werden die Umwandlung hinduistischer Tempel in buddhistische im Norden und Nordosten genannt, grossflächige Landnahme durch Regierung und Armee in Tamilengebieten, willkürliche Verhaftungen und die fehlende Bereitschaft der Regierung, das Schicksal Zehntausender vermisster Tamilinnen und Tamilen aufzuklären. Politisch wird die Minderheit durch die Tamil National Alliance vertreten. Sie hält aber nur 10 der 225 Sitze im Parlament. Die TNA setzt sich für ein Selbstbestimmungsrecht der Tamilen innerhalb eines föderalen Staates ein.

Für die Angehörigen der Vermissten wie Jogarasa Kanakarangini sind das keine guten Nachrichten. Sie wollen einfach nur ihre Kinder und Ehemänner zurück. Sie fühlen sich aber von ihrem Land und der Welt im Stich gelassen. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als ihre Anliegen selbst zur internationalen Gemeinschaft zu tragen.

Nahaufnahme von Jogarasa Kanakarangini
Legende: Jogarasa Kanakarangini SRF/Maren Peters

«Fünf Mal bin ich schon nach Genf gereist, um vor dem UNO-Menschenrechtsrat auf Amalan und die vielen anderen aufmerksam zu machen», sagt seine Mutter Jogarasa. Genützt habe es nichts. Der UNO-Menschenrechtsrat veröffentlicht zwar regelmässig kritische Berichte zur Menschenrechtslage in Sri Lanka, aber dabei ist es bisher geblieben. Trotzdem will Jogarasa Kanakarangini die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihrem Sohn nicht aufgeben.

«International»

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Info3, 02.02.24, 17 Uhr;kobt

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