China will an einem Militärmanöver in Russland teilnehmen. Das hat das Verteidigungsministerium in Peking bekannt gegeben. Das Manöver mit dem Namen «Wostok 2022» findet Ende August im Osten Russlands statt. Neben China und Russland werden sich auch Indien, Belarus und Tadschikistan beteiligen. Eine Verbindung zum Ukraine-Krieg streitet China zwar ab. Innen- und aussenpolitisch profitieren würden aber beide Mächte, China und Russland, erklärt Militärexperte Mauro Mantovani.
SRF News: Wie plausibel ist die Erklärung Chinas, die Teilnahme stehe nicht im Zusammenhang mit der aktuellen internationalen Lage?
Mauro Mantovani: Das ist nicht ganz falsch. Zum einen hat China schon 2018 an dieser Übung «Wostok» teilgenommen. Es ist also nichts Neues. Auch hat China an diesem Grossmanöver nur schon deshalb ein Interesse, weil es entlang der chinesischen Nordgrenze stattfindet. Und dann deckt sich teilweise auch die chinesische und die russische Bedrohungswahrnehmung im Fernen Osten. Denn dort rüsten alle Verbündeten der USA auf; von Japan über Taiwan bis Neuseeland. Das alles empfinden Moskau und Peking gleichermassen als bedrohlich.
Wenn China an der Übung teilnimmt, drückt es auch Solidarität mit Russland aus.
Andererseits bietet der Ukraine-Krieg einen ganz neuen Hintergrund. Wenn China wieder an der Übung teilnimmt, drückt es auch Solidarität mit Russland in diesem Krieg aus. Xi Jinping untermauert damit seine Erklärung gegenüber Wladimir Putin vom Februar, es gebe eine Freundschaft und Kooperation der beiden Staaten ohne Grenzen.
Unter den Teilnehmern fällt neben Belarus und Tadschikistan auch Indien auf. Was sagt die Teilnahme dieser drei Staaten aus?
Es sind alles langjährige Rüstungspartner Russlands, Abnehmer von russischer Militärtechnologie, und sie wollen bei dieser Übung diese Technologie einmal erproben respektive von den Russen vorgeführt bekommen. Daneben sind politische Gründe wichtig. Im Falle von Belarus geht es darum, dass Alexander Lukaschenko seine Macht Putin verdankt und sich trotzdem geweigert hat, in der Ukraine den Russen volle Schützenhilfe zu leisten. Er steht damit massiv unter Druck. Und bei Indien wird es um die Abhängigkeit von russischer Energie gehen.
Die Gretchenfrage dürfte sein, wie viele Truppen China tatsächlich schickt. Haben Sie eine Ahnung, wie viele das sein könnten?
Das werden wir vermutlich gar nie genau erfahren. Beim letzten Manöver waren es etwa zehn Prozent der insgesamt teilnehmenden Truppen, etwa 3000 Mann, also eine eher geringe Partizipation.
Die Teilnahme an der Übung bietet auch die Möglichkeit, sich weltpolitisch zu positionieren. Würden Sie das so unterschreiben?
China solidarisiert sich durch die Teilnahme an dieser Übung ganz klar mit Russland, auch bezüglich des Ukraine-Krieges. Das ist unübersehbar. Daneben hat aber auch Russland eine Botschaft an die Staatengemeinschaft. Zum einen ist es, dass man nicht alleine dasteht, obwohl man gerade von vielen Staaten sanktioniert wird.
Es ist für beide Regimes eine Gelegenheit, Normalität zu zelebrieren.
«Wir haben noch Freunde», teilen uns die Russen damit mit. Zum anderen: «Wir können es uns leisten, diese Übungen wie geplant durchzuführen, obwohl wir nebenbei noch eine sogenannte spezielle Militäroperation in der Ukraine am Laufen haben, von welcher der Westen behauptet, wir würden dabei an die Grenze unserer Kräfte kommen.» Und schliesslich: «Wir sind verteidigungsfähig, auch nach Osten.» Es ist also für beide Regimes eine Gelegenheit, Normalität zu zelebrieren.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.