- Vor dem Attentat in New York haben Terroristen mit usbekischen Wurzeln bereits Anschläge in Stockholm, Istanbul und St. Petersburg verübt.
- Gemäss Schätzungen haben sich 2000 Personen aus Zentralasien der Terrororganisation IS angeschlossen. 500 von ihnen sollen aus Usbekistan stammen.
Die Journalistin Edda Schlager lebt in Zentralasien. Sie hat Usbekistan mehrmals bereist, zuletzt im vergangenen Jahr.
SRF News: Wie schätzen Sie die Gefahr durch islamistischen Terror aus Usbekistan ein?
Edda Schlager: «Angesichts des Attentates in New York und der Attentate in Istanbul, St. Petersburg und Stockholm, in denen überall Attentäter aus Zentralasien involviert waren, kann man sagen: Es gibt eine Gefahr des islamistischen Extremismus aus Zentralasien. Das heisst: Zentralasien ist eine Rekrutierungsregion für islamistische Extremisten.»
Sie haben gerade angesprochen, dass Zentralasien eines der Rekrutierungszentren für islamische Terroristen ist: Wo liegt die Wurzel des Problems aus Ihrer Sicht?
«Die Länder in Zentralasien sind sehr autoritär. Sie sind zum Teil seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion durch ein- und denselben Präsidenten geführt worden. Viele junge Leute versuchen, diese Länder zu verlassen. Wenn diese jungen Leute mit grosser Hoffnung ins Ausland gehen – dann dort aber auf Diskriminierung durch die einheimische Bevölkerung stossen, was in Russland nicht selten der Fall ist, dann wenden sie sich nach langer Zeit der Frustration anderen Idealen zu. Das kann unter Umständen auch eine Islamisierung sein.»
Bis Ende des vergangenen Jahres regierte ein Diktator in Usbekistan: Wie stabil ist die Lage im Land zur Zeit?
«Ich persönlich würde jetzt überhaupt nicht ausmachen, dass sich Usbekistan zur Zeit destabilisiert. Im Gegenteil. Seit Dezember gibt es einen neuen Präsidenten in Usbekistan. Es geht momentan keine Gefahr meiner Meinung nach von einer Destabilisierung aus. Der Weg, den Shavkat Mirziyoyev, der neue Präsident eingeschlagen hat, lässt eigentlich hoffen.»
Usbekistan hat den USA nach dem Anschlag von gestern Unterstützung angeboten: Welche Auswirkungen hat der gestrige Anschlag auf das Verhältnis der USA zu Usbekistan?
«Man muss dazu wissen, dass sich der Westen in den letzten Jahren aus der Region zurückgezogen hat. Die USA hatten bis 2005 eine Militärbasis in Qarshi. Sie wurden dann aber des Landes verwiesen. Deutschland war auch bis 2015 mit einer eigenen Militärbasis im Land, hat dann aber Usbekistan auch verlassen. Das sind nur zwei Hinweise darauf, dass das Interesse des Westens an dieser Region doch deutlich nachgelassen hat. Man denkt offensichtlich einfach: ‹Die Länder sind mehr oder weniger stabil›.
Wurde die Bedrohung durch islamistische Terroristen aus Zentralasien in der Vergangenheit unterschätzt?
«Wenn sich die westlichen Regierungen aus dieser Region zurückziehen – und nicht ständig einfordern, dass man sich an Menschenrechte und an Rechtstaatlichkeit zu halten hat, dann geben Regierungen, wie die usbekische, dem leicht nach und sagen: ‹Gut dann machen wir das nach unserer Façon›, und ich denke, dass ist eine grosse Gefahr.»