SRF News: Der IS hat sich zu den verheerenden Anschlägen in Teheran bekannt: Wie ist dies zu werten?
Michael Lüders: Man kann daraus schliessen, dass der IS seine Strategie etwas verlagert hat, weil er derart stark unter Druck steht. In Europa ist es in letzter Zeit vermehrt zu Anschlägen gekommen, und nun ist erstmals auch Iran betroffen.
Ist das vor allem ein Zeichen, wie stark die Terrormiliz im irakischen Mossul und im syrischen Rakka unter Druck ist?
Es ist dies ein Zeichen, dass sich der IS auf der Weltbühne zurückmelden möchte. Er will damit demonstrieren, dass er eine Gefahr für seine Gegner bleiben wird, auch wenn er aus Syrien und Irak vertrieben werden sollte. In Iran sind in letzter Zeit Dutzende Anschlagsversuche des IS aufgedeckt und von den Sicherheitsbehörden vereitelt worden, jetzt ist den Terroristen ein aus ihrer Sicht erfolgreicher Anschlag gelungen. Dies wirft ein neues Schlaglicht auf die brisante Lage in der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens.
Welche Folgen werden die Terroranschläge für die iranische Politik haben?
Die Führung wird sich darin bestätigt sehen, ihr massives militärisches Engagement zur Bekämpfung des «Islamischen Staates» in Syrien und Irak fortzusetzen. Daneben wird man in Teheran wohl darum bemüht sein, nicht zusätzliches Öl ins Feuer zu giessen, vor allem was die Beziehungen zu Saudi-Arabien betrifft. Es gibt schon jetzt genügend gewalttätige Konflikte in der Region; da braucht es nicht noch eine zusätzliche Auseinandersetzung zwischen Iran und Saudi-Arabien, die jederzeit militärisch eskalieren könnte.
Welche symbolische Bedeutung haben die beiden Anschlagsorte in Teheran – das Parlament und das Mausoleum von Revolutionsführer Ayatollah Khomeini?
Vor allem das Mausoleum Khomeinis hat eine immense Bedeutung, es ist ein nationales Denkmal. Der Anschlag ist ein Angriff auf die Selbstwahrnehmung der Mullahs, die in Teheran über die politische Macht verfügen. Der Anschlag aufs Parlament ist ein Angriff aufs höchste politische Organ neben dem Revolutionsführer. Die Ziele sind von den Terroristen in ihrem Sinne also gut ausgewählt worden. Entsprechend haben die iranischen Verantwortlichen jetzt einiges zu tun, um den Schaden nach Möglichkeit zu minimieren.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.