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Terroranschlag auf Velofahrer Tadschikistan stellt Touristen unter Polizeischutz

Vor vier Monaten wurden vier Velotouristen bei einer Terrorattacke in Tadschikistan getötet – darunter ein Schweizer. Seither stellt das Land in Zentralasien Touristen unter Polizeischutz. SRF ging zurück an den Tatort. Die Reportage.

Ende Juli fuhren Islamisten in einem Auto mit voller Absicht im Pamirgebirge in eine Gruppe Velofahrer aus dem Westen, um die wehrlosen Touristen dann mit Messern niederzustechen.

Wie sicher ist Tadschikistan heute, diese Mischung aus neuem Asien, altem Russland und persischer Kultur? Mit dieser Frage ging ein Reportageteam für «10vor10» auf Spurensuche im zentralasiatischen Land.

Eine Million Touristen, davon 1000 Schweizer

Ausgerechnet 2018 hat die Regierung Tadschikistans zum Jahr des Tourismus erkoren. Das ärmste Land der ehemaligen Sowjetrepubliken will dank westlichen Individualtouristen neue Arbeitsplätze auch in abgelegenen Berggebieten schaffen. Umso verheerender traf die Terrorattacke die Region.

Eine Million Touristen besuchten bis Ende November das Gebirgsland, hauptsächlich Kletterer und Velotouristen, darunter auch 1000 Touristen aus der Schweiz.

Numon Abdughafforzoda ist Chef des staatlichen Tourismuskomitees von Tadschikistan. Im Interview mit SRF sagt er: «Es ist das erste Mal, dass in Tadschikistan so etwas passiert ist. Ich kann ihnen versichern, das mit den Massnahmen der tadschikischen Regierung ein solcher Zwischenfall nicht mehr vorkommen wird. Langfristig wird dies keinen negativen Effekt auf unseren Tourismus haben.» Wie viele Touristen nach der Terrorattacke Ende Juli noch kamen, bleibt offen.

70 Tourismuspolizisten eingestellt

Von Angst und Schrecken ist vier Monate nach der Terrorattacke im Land aber wenig zu spüren. In den Bars und Restaurants in der Hauptstadt Duschanbe vergnügen sich abends jene, die sich das leisten können.

Als Reaktion auf die Terrorattacke hat Tadschikistan letzten September eine 70-köpfige Tourismuspolizei geschaffen.

Mit Leutnant Dilafruz Karimova steht eine Frau im männerdominierten Tadschikistan der Touristenpolizei vor. Die Chefin der Touristenpolizei sagt: «Wir fanden die Nummer jenes Autos, das in die Velofahrer fuhr. Wir fanden auch das Auto selbst und hatten dadurch Informationen zum Haupttäter. Für uns kam dieser Zwischenfall sehr überraschend und war sehr schlecht. Deshalb eskortieren wir jetzt Touristen, wenn diese das wünschen.»

Letzte Woche hat Tadschikistan den mutmasslichen islamistischen Haupttäter zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt. Doch Tadschikistan ist auch ein Rekrutierungsland von unzufriedenen jungen Männern für die Terrororganisation Islamischer Staat.

Strafverfahren bei der Bundesanwaltschaft hängig

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Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat nach dem Anschlag ein Strafverfahren gegen Unbekannt eröffnet, um «Spielraum zu haben, falls die lokalen Behörden kein entsprechendes Verfahren einleiten.»

Gegenüber SRF gibt die Bundesanwaltschaft heute bekannt, dass ihr Verfahren in der Schweiz immer noch hängig ist – und das, obwohl der mutmassliche Haupttäter in Tadschikistan bereits verurteilt worden ist. Die Bundesanwaltschaft schreibt SRF dazu: «Da es sich bei Strafverfahren um dynamische Prozesse handelt, die nicht von der Bundesanwaltschaft alleine beeinflusst werden, kann über den zeitlichen Rahmen oder Verlauf keine Prognose gemacht werden.»

Experten gehen davon aus, dass über 1000 Islamisten aus Tadschikistan sich dem Kampf des IS in Syrien angeschlossen haben.

Gedenkstätte am Tatort

Die Touristenpolizei eskortiert uns hinauf ins Gebirge auf der Pamir-Strasse. Die Tadschiken haben am Tatort eine kleine Gedenkstätte eingerichtet. Auf einer Inschrift entschuldigt sich das Land bei der Welt. Saidov Umedzhon von der tadschikischen Touristenpolizei begleitet seit dem Attentat Touristengruppen.

Wir sind alles Menschen. So etwas sollte sich nie mehr wiederholen. Es geht nicht um Nationalität oder Religion. Es geht um Menschlichkeit.
Autor: Saidov Umedzhon Tadschikischer Touristenpolizist

Passiert ist seither nichts mehr. Polizist Umedzhon sagt am Tatort auf der Pamir-Strasse zu SRF: «Wir sind alles Menschen. So etwas sollte sich nie mehr wiederholen. Es geht nicht um Nationalität oder Religion. Es geht um Menschlichkeit.»

Uns wird klar: die Terrorattacke einiger Islamisten auf die westlichen Velofahrer schockiert den grossen Rest der Einheimischen am meisten. In einem Land, in dem Gastfreundlichkeit oberstes Gebot ist.

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