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Themenpalette wird breiter Radikale Gruppen in Deutschland weiten ihre Kampfzone aus

Sie sind gegen Flüchtlinge, gegen Coronaregeln – und kämpfen jetzt für Putin. Radikale Gruppen und ihr neues Thema.

Die Basis der Demokratie ist die Freiheit. Man darf demonstrieren, seine Meinung sagen, ohne dafür bestraft, benachteiligt oder bedrängt zu werden.

Doch vielen Menschen, die in diesen Tagen in Berlin und anderswo demonstrieren, geht es nicht nur darum. Sie lehnen den Staat als Ganzes ab, sie halten diese Regierung nicht für legitim, fühlen sich von ihr betrogen und belogen.

Fest auf der Seite Putins

Einer der Stars der Szene an den Demonstrationen ist Hendrik Sodenkamp. Er bezeichnet sich als «Moderator» der Demos. Von der Ladefläche eines Lieferwagens vor dem Brandenburger Tor mitten in Berlin verkündet er der Menge, so lange weiterzumachen, bis die «Verbrecher» in der Regierung zurückgetreten seien. «Die Menschen, die hier sind, haben 2020 gemerkt, dass die Regierung sie nach Strich und Faden belogen hat. Beim Krieg gegen Corona und beim Krieg gegen Russland wollen die Leute nicht mitmachen», sagt Sodenkamp im Gespräch mit SRF.

Protestler mit Schild
Legende: Demonstrierende im Januar 2022 in Berlin halten ein Transparent während einer Demonstration gegen die Massnahmen der Regierung zur Eindämmung des Coronavirus. Reuters / Christian Mang

Das findet Anklang. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben schon gegen Geflüchtete demonstriert, gegen Corona-Massnahmen – und jetzt gegen den Krieg in der Ukraine. Dabei sind sie fest auf der Seite Putins.

Themenpalette wird breiter

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sagte dem «Spiegel», es besorge ihn, was sich am rechten Rand der Republik zusammenbraue. «Mittlerweile protestieren die sogenannten Spaziergänger, vereinigt mit AfD, Reichsbürgern, offen Rechtsextremen gegen den Staat und benutzen alles, was Unfrieden verstärkt. Dazu wird auch die Preisexplosion herangezogen werden.»

Tatsächlich ist der Bezug zum Krieg in der Ukraine, zur drohenden Gas-Knappheit auf vielen Plakaten ein Thema. Auf einem Szene-Magazin ist Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck auf dem Cover zu sehen. Titel: «Der Kaltmacher». Eindeutig doppeldeutig. Andere tragen Karton-Schilder am Rücken. Durchgestrichen dabei: Corona, WHO, Nato.

Stefan Lauer befasst sich bei der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin schon lange mit dem Thema. Er beobachtet, wie sich Strömungen vermischen, die Themenpalette breiter wird – jetzt eben mit Bezug auf die Politik des Westens im Ukraine-Krieg. «Die grosse Klammer», sagt Lauer, «ist Demokratiefeindlichkeit. Beziehungsweise ein grosses Misstrauen gegen die Demokratie, gegen die Institutionen und gegen die Regierung».

Träume vom «deutschen Wutwinter»

Ebenfalls dem «Spiegel» sagte der Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes, die Extremisten träumten von einem deutschen Wutwinter. Sie könnten so Werbung machen für ihre staatsfeindlichen Bestrebungen.

Diese Aussicht besorgt auch Forscher Stefan Lauer. «Es ist gerade jetzt sehr wichtig, dass Gewerkschaften, Parteien oder Verbände ein Gegengewicht setzen. Damit nicht jeder, der im Herbst oder Winter gegen Inflation oder hohe Preise demonstriert, gleich in die extreme Ecke gerückt wird.»

Die Energiekrise birgt also tatsächlich sozialen Sprengstoff. Kanzler Scholz hatte schon vor Wochen davor gewarnt.

«Tagesschau» 19:30 Uhr

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Tagesschau, 06.08.2022, 19.30 Uhr

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