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Tod von Martin McGuinness «Nur er konnte die IRA überzeugen, die Waffen niederzulegen»

Was machte Martin McGuinness vom IRA-Kommandanten zum Friedensstifter? SRF-Korrespondent Martin Alioth schätzt ein.

Der Nordirland-Konflikt in Bildern

SRF News: Martin McGuinness kam aus der IRA wurde aber später zum Friedensstifter. Wie kam es dazu?

Martin Alioth: Ich glaube, man kann McGuinness in eine Linie stellen mit Nelson Mandela oder Yassir Arafat. Also mit Männern, die in einer bestimmten historischen Situation zur Methode der Gewalt griffen. Im Falle von McGuinness wurde diese mit absoluter Ruchlosigkeit ausgeübt. Bis zu einem Punkt in den 1980er-Jahren, als er und andere – wie namentlich Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams – zum Schluss kamen, dass der Militarismus letztlich nicht zum Erfolg führen kann. Damals schlug er die politische Route ein und überzeugte andere von gewaltlosen Methoden.

McGuinness war vermutlich bis in die 1990er-Jahre hinein in führender Rolle für die IRA tätig.

Welche Funktion hatte McGuinness während der IRA-Anschläge in den 1970er- bis 1990er-Jahren?

Das ist umstritten. Er ist einer der wenigen IRA-Kommandanten, die zugegeben haben, dass sie diese Funktion ausgeübt hatten. Er selbst sagte aus, er sei 1972 während des sogenannten «Bloody Sundays», stellvertretender Kommandant der lokalen IRA in Derry gewesen.

Nach eigenen Angaben schied er 1974, nach Verbüssung einer Gefängnisstrafe, aus der IRA aus. Das entspricht aber wohl nicht der Wahrheit. McGuinness war vermutlich bis in die 1990er-Jahre hinein in führender Rolle, vermutlich als Stabschef, für die gesamte IRA tätig. Er galt als das Gesicht der IRA.

Später setzte er sich für den Friedensprozess in Nordirland ein. Wie glaubwürdig war er da als ehemaliges IRA-Mitglied?

Für die Protestanten war McGuinness anfänglich ein rotes Tuch. Er war der Terrorist, dem sie die ganze Malaise des akuten Nordirland-Konflikts in die Schuhe schoben. Er hatte aber die Glaubwürdigkeit des ehemaligen Militaristen.

Martin Alioth

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Porträt Martin Alioth

Der Grossbritannien- und Irland-Korrespondent von Radio SRF lebt seit 1984 in Irland. Er hat in Basel und Salzburg Geschichte und Wirtschaft studiert.

Persönlich bin ich der Meinung, dass nur er die IRA in den frühen 2000er-Jahren davon überzeugen konnte, die Waffen niederzulegen – und sie gar zu verschrotten. Er selbst war zuerst nicht überzeugt, dass das nötig war und empfand es auch als Demütigung. Er sah aber später die politische Notwendigkeit dieses Schrittes ein, um den Beweis für den guten Willen der IRA zu erbringen.

Zudem war es McGuinness, der Sinn Féin, den politischen Arm der IRA, davon überzeugte, die nordirische Polizei nach Reformen anzuerkennen. Das war die Voraussetzung für die Regierungsbildung im Frühling 2007 mit McGuiness als stellvertretendem Ministerpräsidenten unter Ian Paisley, dem rabiaten Presbytianer-Pfarrer. Eine Kombination, die man für unmöglich gehalten hatte. Aber die beiden Männer kamen gut miteinander aus.

Das Gespräch führte Susanne Stöckl.

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