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Sri Lanka: Zehntausende Vermisste für tot erklärt
Aus SRF 4 News aktuell vom 22.01.2020. Bild: Imago/Archiv
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Todesurkunden statt Tribunal «Sri Lankas Präsident will lästiges Kapitel loswerden»

Der neue Präsident Sri Lankas, Gotabaya Rajapaksa, hat 23'500 vermisste Personen aus dem Bürgerkrieg für tot erklären lassen. Laut seinem Büro sind die meisten tamilische Zivilisten, die von der Rebellenorganisation Tamil Tigers zwangsverpflichtet worden waren. Die Hinterblieben sollen nun dank Sterbeurkunden zu ihrem Erbe kommen. Die Familie Ratapaksa habe einschlägige Interessen, erklärt Südasien-Korrespondent Thomas Gutersohn.

SRF News: Warum kommt die Ankündigung gerade jetzt, zehn Jahre nach Ende des 37-jährigen Bürgerkriegs?

Thomas Gutersohn: Sie kommt überraschend, denn politischen Druck gab es nicht. Präsident Rajapaksa tat es auch nicht öffentlich. Die Bemerkung fiel in einem Gespräch mit UNO-Diplomaten und wurde mit den Rechten der Hinterbliebenen begründet. Das ist einerseits nachvollziehbar, denn es ist unwahrscheinlich, dass Menschen noch irgendwo gefangen gehalten werden. Anderseits zeigt es, dass Rajapaksa offensichtlich einen Schlussstrich unter die lästige Geschichte ziehen will.

Menschenrechtsorganisationen gehen von viel mehr Verschwundenen aus. Was ist richtig?

Man weiss tatsächlich nicht genau, wie viele Menschen vermisst werden. 23'500 entspricht der Zahl der Klagen, die bei der Vermissten-Anlaufstelle der Regierung eingegangen sind. Dieses von der Vorgänger-Regierung geschafffene «Office on Missing Persons» sollte allen Fällen nachgehen. Doch das Büro hat die Arbeit nie wirklich aufgenommen und wurde erst nach Jahren überhaupt besetzt. Mit der Toterklärung der Vermissten ist eine echte Aufarbeitung jetzt wahrscheinlich nicht mehr möglich. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Hinterbliebenen, die ein Tribunal verlangten und nicht nur eine Todesurkunde.

Mit der Toterklärung ist eine echte Aufarbeitung jetzt wahrscheinlich nicht mehr möglich.

Das Präsidentenbüro spricht vom tamilischen Zivilisten, die von den Tamil Tigers zwangsrekrutiert wurden. Woher weiss das die Regierung?

Die Regierung streitet vehement ab, dass auch das Militär Tausende verschwinden liess und für grobe Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist – gerade gegen Ende des Bürgerkrieges. Aber auch danach wurden Menschen in so genannten «White van abductions» – weissen Lieferwagen – entführt. Das waren sicher nicht die Tamil Tigers, sondern der Geheimdienst und damit die Familie von Rajapaksa. Der heutige Präsident führte damals die Armee und dessen Bruder Mahinda war Premierminister. Klagen gegen die beiden wie auch gegen mehrere Generäle wurden kurz nach der Amtseinführung des aktuellen Präsidenten aufgehoben.

Der heutige Präsident führte damals die Armee und dessen Bruder Mahinda war Premierminister.

Wird der Bürgerkrieg in Sri Lanka damit in Vergessenheit geraten?

Die Aufarbeitung des Bürgerkriegs verlangen nur die Tamilen im Norden. Dort fand der Krieg statt und dort gab es auch die meisten zivilen Opfer. Die Singhalesen im Süden sind des Kriegs überdrüssig. Für sie bedeutete eine Aufarbeitung wirtschaftliche Einbussen – wegen des schlechten Images im Tourismus und wegen weniger Entwicklung.

Die Angehören der Toten wissen nicht, was mit ihren Liebsten geschehen ist. Fördert das die Spaltung des Landes zusätzlich?

Eine Spaltung ist Rajapaksa ziemlich egal. Er hat als erster Präsident allein mit den singhaleschen Stimmen im Süden gewonnen. Auf die Tamilen im Norden ist er nicht angewiesen, was dort zu einer gewissen Radikalisierung führen könnte. Doch auch das wäre im Sinn Rajapaksas. Denn je härter die Fronten zwischen Singhalesen und Tamilen sind, desto stärker wird sein Rückhalt bei der Bevölkerungsmehrheit. Darauf baut er und nicht auf eine vereintes Sri Lanka.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

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