In Johannesburg, der grössten Stadt Südafrikas, sind letzte Woche beim Brand eines Wohngebäudes über 70 Menschen ums Leben gekommen. Das städtische Haus war illegal besetzt und wurde nicht mehr gewartet. Nun will die Politik reagieren: Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa spricht von einem Weckruf und will Massnahmen ergreifen. Die freie Journalistin Naveena Kottoor sieht aber einen generellen Reformstau im Land.
SRF News: Das betroffene Gebäude in der Innenstadt von Johannesburg ist in seinem Zustand kein Einzelfall. Was ist dort das Problem?
Das Gebäude war früher ein Verwaltungsgebäude und gehört immer noch der Stadt Johannesburg. Vor über 15 Jahre wurde es leergeräumt. Danach sind kriminelle Banden eingezogen und haben dieses und andere Bürogebäude unter ihre Kontrolle gebracht. Sie vermieten die Zimmer an Menschen, die sich sonst keinen Wohnraum leisten können.
Kriminelle Banden sind eingezogen und haben dieses und andere Bürogebäude unter ihre Kontrolle gebracht.
Die Räume sind aber nicht wirklich zum Wohnen geeignet. Viele Familien wohnen auf engstem Raum, ohne richtige sanitäre Anlagen, ohne Strom, ohne Toiletten. Es gibt auch keine Gebäudeaufsicht. Bereits in der Vergangenheit soll es immer wieder zu Bränden gekommen sein, weil die Menschen mit Feuer heizen oder mit Paraffin kochen.
Es sind Menschen, die nach Südafrika gekommen sind, um sehr einfachen Jobs nachzugehen, weil sie in ihren Heimatländern keine berufliche Zukunft haben.
Was sind denn das für Menschen, die auf engsten Raum in diesen besetzten Gebäuden wohnen?
In diesem Gebäude sollen rund 200 Familien gewohnt haben. Es handelt sich dabei um sehr arme Südafrikaner – dazu kommen viele zugewanderte Menschen aus anderen Ländern Afrikas. Man geht davon aus, dass mehr als 20 der Opfer aus Malawi stammten. Der Botschafter des Landes war dieses Wochenende in Johannesburg und hat sich die Situation vor Ort angeschaut. Andere Opfer sollen aus Simbabwe und Tansania gewesen sein. Es sind Menschen, die nach Südafrika gekommen sind, um sehr einfachen Jobs nachzugehen, weil sie in ihren Heimatländern keine berufliche Zukunft haben.
Sie haben kriminelle Banden angesprochen, die die prekäre Wohnsituation in Johannesburg ausnutzen. Warum bekommen die Verantwortlichen dies nicht unter Kontrolle?
In der Innenstadt von Johannesburg stehen seit dem Ende der Apartheid Mitte der 1990er-Jahre Gebäude leer. Diese werden von den Gangs kontrolliert und vermietet, und man muss davon ausgehen, dass auch die Behörden zum Teil nicht richtig hingeschaut haben – es wurden wohl auch Bestechungsgelder gezahlt. Zudem ist die rechtliche Situation sehr schwierig. Um jemanden eines Gebäudes zu verweisen, braucht es zunächst einen Gerichtsbeschluss.
Es wurden wohl auch Bestechungsgelder gezahlt.
Auch dann ist es nur möglich, eine Person zum Auszug zu bringen, wenn diese eine alternative Wohnmöglichkeit hat. Dies haben viele Menschen aber nicht, und es wäre eigentlich in der Verantwortung des Eigentümers, wenn er ein Gebäude räumen lassen will, alternative Wohnungen zur Verfügung zu stellen. In diesem Fall wäre das die Stadt Johannesburg. Das ist im Kontext der akuten Wohnungsnot aber sehr schwierig.
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa will nun Massnahmen für die Wohnsituation in den Innenstädten ergreifen. Wie glaubhaft sind diese Aussagen?
Der Präsident ist unter Druck. Nicht nur, was die Wohnsituation angeht, es gibt auch andere grosse strukturelle Probleme im Land, Stichwort Stromausfälle. Wenn Cyril Ramaphosa sich dieser Sache annehmen will, müsste man aber erst einmal die gesetzliche Grundlage für die Räumung von Gebäuden ändern. In Südafrika gibt es aber in vielen Bereichen einen Reformstau. Die nächsten Monate werden zeigen, wie ernst es Ramaphosa wirklich meint.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.