Es war der 2. Februar 1990, als Nelson Mandela im Victor-Verster-Gefängnis in Kapstadt diesen «atemberaubenden Moment» erlebte. Soeben hatte Staatspräsident Fredrik Willem de Klerk vor dem Parlament eine Rede gehalten. Darin forderte er, das Verbot für den Afrikanischem Nationalkongress (ANC) aufzuheben - und kündigte die Freilassung von Nelson Mandela aus an.
Fast 27 Jahre hatte der «berühmteste politische Gefangene der Welt» zu diesem Zeitpunkt hinter Gittern verbracht. Vom rassistischen Apartheid-Regime war er 1964 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Ein Gericht hatte ihm mehr als 150 Sabotageakte angelastet, die Mandela als führendes Mitglied des ANC verübt haben sollte.
Mandela, geboren 1918, war seit den vierziger Jahren Mitglied im ANC und engagierte sich dort gegen das weisse Minderheitsregime und dessen Weigerung, den Schwarzen im Land die gleichen Rechte zu gewähren. Mandela war im ANC zunächst als Gründer und Führer der rebellischen Jugendliga aktiv, später wurde er Vizepräsident auf Landesebene.
Führender Kopf des Widerstands
Im ANC gehörte Mandela, lange Zeit ein bekennender Verfechter eines gewaltlosen Widerstandskampfes, schon bald zu den führenden Köpfen des Widerstands gegen die 1948 eingeführte Apartheidspolitik. Weil das Regime ihn deshalb unter einen so genannten «Bannbefehl» stellte, der mit Hausarrest und dem Verbot jeglicher politischer Arbeit verbunden war, musste Mandela im Untergrund weiterarbeiten. Von dort aus gehörte er 1955 zu den Mitinitianten der «Freiheits-Charta» des ANC, die fortan die Grundlage des Anti-Apartheids-Kampfes wurde.
Ihren blutigen Höhepunkt erreichte die Widerstandsbewegung 1960 mit Protesten gegen die diskriminierenden Passgesetze, die Schwarze verpflichteten, bei Aufenthalten in den Städten ein spezielles Ausweisdokument bei sich zu tragen.
Im März 1960 kam es bei Protesten gegen diese Gesetze in der Stadt Sharpeville zu Todesschüssen auf unbewaffnete Demonstranten - ein Ereignis, das Mandelas Einstellung zum gewaltlosen Kampf ändern sollte. Fortan akzeptierte er den vom ANC schön länger als notwendig erachteten bewaffneten Kampf gegen die Apartheid.
Kommandant des «Speers der Nation»
Als der ANC Anfang der sechziger Jahre verboten wurde, gründete Mandela im Untergrund den militanten Flügel «Umkhonto we Sizwe» (Speer der Nation) und wurde dessen erster Kommandant. Wegen mutmasslicher Sabotageakte stand Mandela mehrmals vor Gericht und wurde zu Haftstrafen verurteilt - zuletzt 1964 zu dem Gefängnisaufenthalt, aus dem er erst ein gutes Vierteljahrhundert später wieder in die Freiheit entlassen werden sollte.
Die Jahre der Haft verbrachte Mandela zunächst im auf der Felseninsel «Robben Island» vor Kapstadt, danachim Hochsicherheitsgefängnis Pollsmoor. Im Dezember 1988 wurde er schliesslich ins Victor-Verster-Gefängnis nach Paarl verlegt, einer Industriestadt etwa 50 Kilometer nordöstlich von Kapstadt. Ein Angebot des Regimes, ihn im Gegenzug für einen Gewaltverzicht vorzeitig aus der Haft zu entlassen, lehnte Mandela 1985 ab. Er forderte stattdessen die Legalisierung des ANC und die Abschaffung der Apartheid.
De Klerk bringt den Wandel
Den Wandel in Südafrika brachte schliesslich erst ein neuer Präsident auf den Weg. Fredrik Willem de Klerk, seit Anfang 1989 Vorsitzender der regierenden Nationalen Partei und seit August 1989 Nachfolger von Pieter Willem Botha als Staatschef, galt bis zu seiner Wahl als strammer Verfechter der Apartheid.
Der Druck im Land war jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits so gross geworden, dass de Klerk handeln musste. Nicht zuletzt durch die Sanktionen der USA war Südafrika in eine schwere wirtschaftliche Krise geraten. International wurde das Regime mehr und mehr geächtet - so verliefen etwa die Verhandlungen über eine Umschuldung der riesigen Auslandsverpflichtungen von Mal zu Mal zäher. Südafrikanische Produkte fanden nur noch unter grossen Schwierigkeiten ihren Weg auf den Weltmarkt.
Auch die Schwarzen liessen sich vom seit Jahren geltenden Ausnahmezustand immer weniger einschüchtern. Ende der achtziger Jahre schwoll die Protestwelle an, Dutzende Menschen kamen bei Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften ums Leben.
Im Februar 1990 kam es schliesslich zu einer aufsehenerregenden Parlamentsrede, in der de Klerk weitreichende Reformen für das Land ankündigte und damit wesentliche Forderungen des ANC erfüllte. Wenig später kündigte er auch die Freilassung Mandelas an.
Friedensnobelpreis
Dessen Freilassung wurde von seinen Landsleuten frenetisch gefeiert. Mandela selbst, im Gefängnis ergraut, aber nicht gebrochen, setzte sich rasch wieder an die Spitze der Anti-Apartheidsbewegung. 1993 wurde er, zusammen mit de Klerk, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Ein Jahr später wurde er Staatsoberhaupt von Südafrika.
Als Staatschef und ANC-Präsident brachte Mandela den Umbau seines Heimaltandes auf den Weg. Internationalen Respekt und viele Preise gewann er für sein Eintreten für nationale Versöhnung. Wegbegleiter beschreiben bewundernd, wie Mandela in diesen anstrengenden Jahren stets Würde, Humor und Wärme bewahrte. Erst 1999, im Alter von 81 Jahren, übergab er die Macht an seinen Nachfolger Thabo Mbeki.