Am Ghetto-Denkmal in der polnischen Hauptstadt Warschau haben die Staatspräsidenten Polens, Israels und erstmals auch Deutschlands – Andrzej Duda, Izchak Herzog und Frank-Walter Steinmeier – des Beginns des Aufstandes gedacht. Sie hielten Reden und legten Kränze nieder.
Frank-Walter Steinmeier bekannte sich zur deutschen Verantwortung für die Vernichtung der Juden und bat um Vergebung. Er bedankte sich zugleich für die Versöhnung beider Staaten mit den einstigen Tätern. Diese sei ein «unendlich kostbares Geschenk». Deutsche hätten das Menschheitsverbrechen der Shoah minutiös geplant und durchgeführt. «Deutsche haben Europas Jüdinnen und Juden, die Jüdinnen und Juden Warschaus mit einer Grausamkeit und Unmenschlichkeit verfolgt, versklavt, ermordet, für die uns die Worte fehlen», sagte Steinmeier. Er stehe hier «in Trauer und Demut».
Von Anfang an praktisch aussichtslos
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Das Warschauer Ghetto war im Herbst 1940 von den deutschen Besatzern errichtet worden. Rund 450'000 Menschen wurden dort auf engstem Raum eingeschlossen. 1942 begannen die Nationalsozialisten mit der Deportation der Juden in Vernichtungs- und Arbeitslager. Zwischen Juli und September dieses Jahres wurden 250'000 bis 280'000 Menschen verschleppt oder ermordet.
Als am 19. April 1943 SS-Einheiten in das Ghetto einmarschierten, begann der Aufstand des nur schwach bewaffneten jüdischen Widerstandes. Die Kämpfe dauerten bis Mitte Mai. Dabei wurden mehr als 56'000 Juden getötet oder in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Der Kampf war wegen der Übermacht der SS von Anfang an praktisch aussichtslos.
Der deutsche Bundespräsident betonte, die Deutschen wüssten um ihre Verantwortung und um den Auftrag, den die Überlebenden und die Toten ihnen hinterlassen hätten. «Wir nehmen ihn an. Für uns Deutsche kennt die Verantwortung vor unserer Geschichte keinen Schlussstrich. Sie bleibt uns Mahnung und Auftrag in der Gegenwart und in der Zukunft.»
Parallelen zum Ukraine-Krieg
Polens Präsident Andrzej Duda würdigte die Teilnehmer des Warschauer Ghetto-Aufstandes als gemeinsame Helden Israels und Polens. «Sie sind für mich und viele Polen vor allem ein Symbol für Tapferkeit, Entschlossenheit und Mut», sagte Duda. Die Aufständischen seien mit ihrem Mut ein Vorbild für israelische und polnische Soldaten, die die Grenzen ihrer Länder bewachen, so Duda weiter.
Der polnische Auschwitz-Überlebende Marian Turski zog Parallelen zwischen den von Nazi-Deutschland begangenen Taten im Zweiten Weltkrieg und Russlands Angriffskrieg in der Ukraine. Er könne nicht schweigen, wenn er die Verbrechen im ukrainischen Butscha sehe, wohl wissend, welche Gräueltaten Deutschland während des Zweiten Weltkrieges in besetzten Ländern begangen habe, sagte Turski.
Zwar habe ihn die sowjetische Armee aus Auschwitz befreit, und dafür werde er auf ewig dankbar sein, so Turski weiter. «Aber kann ich gleichgültig sein? Kann ich schweigen, wenn das heutige Russland eine Aggression gegen unseren Nachbarn betreibt?»
«Fackel der Verantwortung»
Die wichtigste Lehre aus der deutschen Geschichte laute «Nie wieder!», sagte wiederum Steinmeier. Die Deutschen hätten diese Lehre gelernt. Nie wieder, das bedeute, dass es in Europa keinen verbrecherischen Angriffskrieg wie den Russlands gegen die Ukraine geben dürfe.
Israels Präsident Izchak Herzog dankte seinem polnischen Kollegen Duda für dessen entschlossenen Einsatz bei der Erinnerung an den Holocaust. Dies sei die Basis für einen «wichtigen Dialog zwischen Polen und Israel und die Förderung der Freundschaft zwischen unseren Völkern», sagte Herzog.
Herzog dankte auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für dessen «moralische Führung». Der deutsche Präsident spiele eine wichtige Rolle bei der Vertiefung der Freundschaft zwischen Israel und Deutschland. Es sei wichtig, die «Fackel der Verantwortung» an künftige Generationen weiterzugeben.
Heikle Mission für Steinmeier
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Steinmeier will am Rande des Gedenkens auch bilaterale Gespräche mit Duda und Herzog führen. Sein Besuch in Polen fällt in eine schwierige Zeit. Im Herbst wird hier ein neues Parlament gewählt. Die nationalkonservative Regierungspartei PiS schürt auch anti-deutsche Ressentiments und geht damit auf Stimmenfang. Immer wieder beliebt ist dabei die – von Deutschland strikt zurückgewiesene – Forderung nach Reparationen für die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Schäden.
Erst am Dienstag verabschiedete Polens Regierung eine Resolution, welche die Regelung der Reparationsfrage zu einer Notwendigkeit in den beiderseitigen Beziehungen erklärte. Sie sei die formale Antwort auf die diplomatische Note, mit der Berlin die Reparationsforderungen Polens abgelehnt habe, sagte der Vize-Aussenminister und Reparationsbeauftragte Arkadiusz Mularczyk. Dass die Entschliessung wenige Stunden vor Steinmeiers Ankunft in Warschau gefasst wurde, liess sich aus deutscher Sicht allerdings auch als diplomatische Provokation werten.
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