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Treffen in Sotschi Lukaschenko: Auf Tauchstation mit Putin

Der russische Präsident wirkte ausgesprochen gut gelaunt bei der Begrüssung seines Besuchers in Sotschi am gestrigen Freitag. Und lud Alexander Lukaschenko gleich zu Beginn zum Baden im Schwarzen Meer ein.

Von diesen freundlichen Worten sollte man sich jedoch keinen Sand in die Augen streuen lassen. Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko trauen sich gegenseitig nicht über den Weg.

Nach den Ereignissen in den vergangenen Woche hat Wladimir Putin gute Gründe, vergnügt zu sein. Alexander Lukaschenko hat dem russischen Präsidenten am vergangenen Sonntag einen grossen Gefallen getan mit seinem Befehl, ein Passagierflugzeug unterwegs von Athen nach Vilnius durch einen Kampfjet zur Notlandung in Minsk zu zwingen. Je stärker Alexander Lukaschenko sich vom Westen isoliert, umso grösser wird seine Abhängigkeit von Wladimir Putin.

Neue Grenzen am Himmel

Der russische Präsident scheint es sichtlich zu geniessen, dass er nun am längeren Hebel sitzt. Er hat den belarussischen Staatschef militärisch, finanziell (mit umgerechnet mehreren Milliarden Schweizer Franken an Schulden) und seit dieser Woche nun auch bezüglich des Flugverkehrs in der Hand. Aus Belarus auszufliegen ist nur noch über den russischen Luftraum möglich. Lukaschenko sitzt in der Sackgasse, aus welcher nur der Ausgang in Richtung Moskau offen steht.

Weltordnung nach Putins Geschmack

Gross war die Schmach in den Jahren vor dem vergangenen August, als Alexander Lukaschenko mit den EU-Staaten und Russland Katz und Maus spielte. Nachdem sich Russland selbstverschuldet die Beziehungen mit der Ukraine für die kommenden Jahrzehnte wortwörtlich zerbombt hatte, sah sich der russische Staatschef gezwungen, den kleinen Nachbarstaat Belarus umso mehr bei Laune zu halten, um den letzten verbliebenen Pufferstaat zum Westen in seiner Einflusssphäre zu behalten.

Für jemanden wie Wladimir Putin, der sich als Erbe des Imperiums der Zaren sieht, war das eine beschämende Bücklingshaltung. Die neue Bittsteller-Position des belarussischen Machthabers rückt die Welt aus Sicht des russischen Präsidenten wieder ein Stück in Ordnung.

Köfferchen für Putin

Alexander Lukaschenko kämpft zusehends um sein politisches Überleben. Es ist ihm zwar gelungen, die friedliche Demokratiebewegung in Belarus mit roher Gewalt zu unterdrücken, doch die vergangenen Monate haben an seinen Kräften gezehrt.

Gegenüber Wladimir Putin inszeniert sich Lukaschenko deswegen auch bei seinem Treffen in Sotschi als das letzte Bollwerk gegen westliche Kräfte. Einen ganzen Aktenkoffer voller Dokumente nahm Lukaschenko deswegen zum gestrigen Treffen mit, aus welchem er wie ein Schuljunge dem Lehrmeister Putin Beweise präsentieren wollte, die den Feind aus dem Westen enthüllen sollten.

Einen neuen Kalten Krieg kann jedoch keine Rhetorik heraufbeschwören. Dafür fehlt dem ehemaligen Kolchose-Direktor Lukaschenko und dem einstigen KGB-Spion Putin das ideologische Gerüst. Das einzige sowjetische Grundideal, welches sie beide noch aufrichtig vertreten, ist die Ablehnung von freien und fairen Wahlen.

Ein Jeder sich selbst der Nächste

Im Kern geht es weder dem belarussischen Machthaber noch dem russischen Präsidenten um die Beziehungen beider Länder, sondern lediglich um die ganz persönlichen Machtinteressen. Nur so lange, wie Putin davon überzeugt ist, dass es zu Alexander Lukaschenko keine Alternative in Minsk gibt, nur so lange wird der Kreml ihn unterstützen. Ansonsten dürfte es schnell vorbei sein mit der neuen Männerfreundschaft.

Luzia Tschirky

Russland-Korrespondentin

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Luzia Tschirky ist SRF-Korrespondentin für die Region Russland und die ehemalige UdSSR.

SRF 1, Tagesschau vom 29. Mai 2021, 19:30 Uhr

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