Chinas Staatschef Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin haben gestern zum Auftakt des Staatsbesuchs im Moskau mehrfach betont, wie wichtig die Beziehungen ihrer Länder seien. Die Partnerschaft «auf sehr hohem Niveau» müsse relativiert werden, sagt der Journalist Felix Lee.
SRF News: Sind die Beziehungen zwischen Russland und China wirklich so gut oder wird da etwas übertrieben?
Felix Lee: Tatsächlich haben sich Xi und Putin in den letzten sechs Jahren 28-mal gesehen. Dies betonte Xi mehrmals. Putin sei der beste Freund und ein guter Kollege. Putin wiederum bezeichnete die Beziehungen als besser als je zuvor. Aus den einstigen Rivalen mag zwar eine strategische Partnerschaft geworden sein, doch in Tat und Wahrheit bleibt das Verhältnis schwierig. Es ist wohl eher eine temporäre Zweckehe, die jederzeit geschieden werden könnte.
Es ist wohl eher eine temporäre Zweckehe, die jederzeit wieder geschieden werden könnte.
Was sind die gemeinsamen Interessen dieser Zweckehe?
China führt einen inzwischen doch sehr erbitterten Handelskrieg mit den USA. Auch das schlechtere Verhältnis zwischen Washington und Moskau wegen der Krim schweisst China und Russland zusammen. Auffällig ist, dass beide Länder als ständige Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats westliche Initiativen oft ins Leere laufen lassen. Etwa bei den Friedensbemühungen in Syrien. Sie versuchen so, den Einfluss der USA und des Westens insgesamt einzudämmen.
Wo liegen die grössten Differenzen zwischen China und Russland?
Ein Grossteil der politischen Elite in Moskau misstraut den Chinesen weiterhin. Bis heute sind Grenzfragen zwischen den Riesenländern nicht geklärt. Weitere Konfliktpunkte sind die Einflusssphären. So versucht Peking, mit dem gigantischen Infrastrukturprojekt der Seidenstrasse seinen Einfluss auf die Regierungen in Zentralasien auszubauen. Russland ist um bessere Beziehungen zu Indien und Japan bemüht, also zwei Gegnern Chinas. Das schürt auf beiden Seiten arges Misstrauen.
Ein Grossteil der politischen Elite in Moskau misstraut den Chinesen weiterhin.
Unternehmen beider Staaten haben Kooperationsverträge unterschrieben. Ist Russland für China wirtschaftlich wichtig?
China ist sehr interessiert an den russischen Rohstoffen, vor allem Gas und Öl, das China nicht in gleichen Mengen hat. Bis Ende Jahr wollen beide Seiten eine über 2000 Kilometer lange Pipeline in Betrieb nehmen. Der russische Energieriese Gazprom möchte zum wichtigsten Gaslieferanten Chinas werden. China beliefert die Russen kräftig mit meist billigen Konsumartikeln. Doch der Warenumsatz zwischen den Ländern lag 2018 bei gerade einmal 90 Milliarden Dollar. Das sind weniger als zwei Prozent des chinesischen Handels. Es sind Peanuts im Vergleich zu den Handelsvolumen Chinas mit der EU oder den USA.
Angenommen, der Handelsstreit China-USA und die politischen Spannungen USA-Russland halten an. Wird dann die Achse Russland-China noch wichtiger?
Das ist vorstellbar. China und Russland stehen unter Beschuss. Und zwar nicht nur von Trump. Auch in Europa hat sich die Stimmung gegen China und Russland sehr verschlechtert: Russland fährt eine aggressive Aussenpolitik, China eine ebenso aggressive Technologie-Offensive. Ob es Peking und Russland gelingt, eine gemeinsame Strategie gegen den Westen zu finden, werden auch die jetzigen Gespräche zeigen. Das wird trotz aller Lobhudeleien nicht einfach werden. Aber letztlich geht es den Chinesen um mehr Einfluss vor allem in Europa. Da ist Russland nur ein Zwischenschritt.
China will mehr Einfluss in Europa. Da ist Russland nur ein Zwischenschritt.
Das Gespräch führte Roger Aebli.