Um die Kriminalität in Washington D.C. einzudämmen, greift Donald Trump zu rabiaten Mitteln: Er setzt die Nationalgarde ein, die Bundespolizei FBI soll auf den Strassen der Hauptstadt zum Einsatz kommen – und Trump übernimmt die Kontrolle über die Polizei. SRF-Korrespondent Andrea Christen erklärt, welches Kalkül hinter der Ankündigung des US-Präsidenten steckt.
Wie gross ist das Kriminalitätsproblem in Washington?
Sie ist ein Problem, so wie auch in anderen US-Städten. Die Obdachlosigkeit in der Hauptstadt ist ein anderes Problem. Stellenweise ist das auch sehr sichtbar, wenn man durch die Stadt läuft. Vor einer Woche wurde ein Regierungsmitarbeiter in Washington angegriffen und verletzt. Trump ist auf diesen Fall angesprungen, auch andere brutale Einzelfälle hat er heute genutzt. In Tat und Wahrheit ist die Zahl der Gewaltverbrechen in Washington D.C. im letzten Jahr aber auf ein Dreissig-Jahre-Tief gesunken. Die Beschreibungen von D.C. und anderen demokratisch regierten Städten, die fast schon Szenen aus Kriegsgebieten heraufbeschwören, sind schlicht falsch. Trump hat sich allerdings noch nie von Fakten aufhalten lassen. Er nutzt hier eine Gelegenheit, um ein autoritäres politisches Theater für seine Basis aufzuführen, die grossmehrheitlich nicht in diesen Städten lebt.
Kann Trump seine Ankündigungen auch umsetzen?
Ja. D.C. – also der kleine District of Columbia um die Hauptstadt – darf sich zwar per Bundesgesetz von 1973 selbst verwalten. Es hat auch eine Bürgermeisterin und eine Art Stadtrat. D.C. ist aber kein Bundesstaat und hat auch keinen Gouverneur. Es ist noch nicht im Detail bekannt, was die Nationalgardisten in Washington tun werden. Klar ist aber, dass Trump sie einsetzen darf. Und dies auch viel einfacher als in Los Angeles, wo er ebenfalls auf die Nationalgarde zurückgegriffen hat. Dort ist allerdings noch unklar, ob ihr Einsatz legal war.
Zudem darf die Trump-Regierung auch die Polizei der Hauptstadt übernehmen, wenn auch nur vorübergehend. D.C. ist ein «blauer» Teil der USA: Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris holte hier im November 90 Prozent der Stimmen. Gleichzeitig hat Trump in Washington grössere Befugnisse als in einem Bundesstaat und er kann ein Exempel statuieren. Das liess sich bereits im Sommer 2020 beobachten, als die Nationalgarde zum Einsatz kam. Damals lief Trump mit Entourage vom Weissen Haus zu einer Kirche, um dort eine Bibel in die Kamera zu halten. Es kam dabei zu Auseinandersetzungen auf der Strasse. Auch jetzt ist dies nicht auszuschliessen.
Passt das Vorgehen in Trumps Gesamtstrategie?
Diese «Tough-on-Crime»-Politik fügt sich hier nahtlos ein. Das harte Vorgehen gegen Kriminalität ist ein zentrales, wiederkehrendes Element von Trumps Präsidentschaft und war es auch schon in seinem Wahlkampf. Die rabenschwarze Beschreibung von demokratisch regierten Städten wie Chicago oder Philadelphia, in denen die Kriminalität ausser Kontrolle geraten sein soll und illegale Migranten Unterschlupf finden würden: Trump nutzt diese Darstellung, um mit einem Einschreiten der Bundesregierung zu drohen. Menschen, die in diesen Städten leben, wissen, dass es in gewissen Stadtteilen Bandenkriminalität gibt. Trumps apokalyptisches Bild ist aber einfach falsch und im letzten Jahr sind die Mordraten landesweit gesunken. Letztlich geht es ihm darum, seine Macht auszudehnen, noch mehr Kontrolle auszuüben. In Los Angeles ist er bereits zur Tat geschritten, nun folgt Washington D.C. Anderen Städten droht er Ähnliches an.