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Trump stoppt mRNA-Gelder Die USA geben bei den Impfstoffen einen Vorsprung preis

Die impfskeptsiche Regierung streicht Gelder für die mRNA-Forschung – 2020 hatte sich Trump noch mit mRNA gebrüstet.

Er sei sich politische Auseinandersetzungen durchaus gewohnt, sagt Holden Thorp. Der Chemiker ist seit 2019 Chefredaktor von «Science», dem wichtigsten wissenschaftlichen Journal weltweit mit Sitz in Washington D.C.

Seit sechs Jahren schreibt er Editorials, greift Themen auf, die brenzlig sind, kritisiert, was aus seiner Sicht schiefläuft zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft.

Impfstoffe gegen Covid-19

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Seitdem die mRNA-Impfstoffe gegen das Coronavirus Geschichte geschrieben haben, kennt sie die ganze Welt. Inzwischen scheint damit alles möglich, von der Krebstherapie bis zur HIV-Impfung. Geld ist da, Aufmerksamkeit auch. Doch in den USA hat die Stimmung mit der zweiten Amtszeit von Donald Trump gedreht. Vielen aus seinem politischen Lager gilt mRNA als gefährlich. Und das hat konkrete Folgen: Schon zugesagte Fördergelder werden zurückgezogen, politische Vorstösse in Idaho, Minnesota und Florida fordern ein Verbot.

Zurzeit gebe es viele Entwicklungen, die ihn beunruhigten, eine drehe sich um mRNA. «Die Attacken auf mRNA sind eine Pandemiefolge – eine Art Blitzableiter für die Wut vieler Menschen», sagt Thorp.

Verbreitete Impfskepsis in den USA

Viele Leute seien gezwungen gewesen, sich gegen Corona impfen zu lassen, wenn sie ihren Job nicht verlieren wollten. «Ohnehin hat die Impfskepsis zugenommen – und Gesundheitsminister Robert F. Kennedy jr. hat sie vollends in der politischen Debatte etabliert», so Thorp.

Nun ist mRNA eine Art Sündenbock, der attackiert wird, obwohl er nichts verbrochen hat. Er war sozusagen zur falschen Zeit am falschen Ort. Der Epidemiologie Mike Osterholm von der Universität von Minnesota bestätigt das: «Die Menschen rebellierten gegen Impfmandate», sagt er. Es hätte jede Art von Impfung sein können, doch es war eben mRNA.

Die USA geben ihre Chance auf, die nächste Pandemie sinnvoll vorzubereiten.
Autor: Mike Osterholm Epidemiologe an der Universität von Minnesota

Groll und Misstrauen gegen die Regierung, Wut über weitreichende Vorschriften in der Pandemie – all das klebt jetzt wie Pech an der neuen mRNA-Technik.

Kennedy streicht Forschungsgelder

Das hat reale Konsequenzen: Im Mai hat die US-Regierung angekündigt, 766 Millionen Dollar nicht auszuzahlen, die eigentlich an die mRNA-Firma Moderna gehen sollten, um Grippeimpfstoffe zu entwickeln. Und am 5. August strich Gesundheitsminister Kennedy weitere 500 Millionen Dollar, die für die mRNA-Forschung vorgesehen waren.

Wenn ich in Europa forschen würde, würde ich mich auf mRNA-Krebstherapien stürzen.
Autor: Holden Thorp Chemiker, Chefradaktor des Wissenschaftsmagazins «Science»

Überrascht hat dieser Entscheid Osterholm nicht mehr, auch wenn er enttäuscht sei. «Die USA geben ihre Chance auf, die nächste Pandemie sinnvoll vorzubereiten und einen Impfstoff gegen mögliche pandemische Grippeviren – wie die Vogelgrippe – für den Ernstfall so weit zu haben, dass man rasch viel Impfstoff produzieren kann.»

Denn auf diesem Gebiet verspreche die mRNA-Technologie mehr als alle anderen Methoden.

Andere Länder dürften in die Bresche springen

Bisher sind die USA führend auf diesem Forschungsfeld. Den Vorsprung jetzt aufzugeben, sei bedauernswert, sagt Chefredaktor Thorp. Denn mRNA könne nicht nur Impfstoffe gegen Krankheitserreger liefern, sondern auch Krebstherapien. Durchbrüche stünden kurz bevor.

Wenn die USA hier nachliessen, würden andere Länder die Chance nutzen. «Wenn ich in Europa forschen würde, würde ich mich auf mRNA-Krebstherapien stürzen. Meine US-Kollegen würden mich beneiden, weil sie selber wohl bald keine Forschung mehr dazu haben», so Thorp.

Dass die USA unter Trump 2.0 derzeit mRNA-Forschung stark erschweren, entbehre nicht einer gewissen Ironie, sagt Osterholm. Denn Trump hatte sich 2020 während der Pandemie noch für die Erfolge von Moderna feiern lassen, weil er damals sechs Milliarden Dollar aus der Staatskasse in die Technik investiert hatte.

Heute, fünf Jahre später, ist alles anders.

Echo der Zeit, 6.8.2025, 18 Uhr;liea

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