Der Friedensplan von Donald Trump bringt neue Bewegung in den Nahostkonflikt. Noch ist vieles unklar – doch der ehemalige israelische Premierminister Ehud Barak sieht darin einen möglichen Wendepunkt. Er kritisiert die aktuelle Regierung unter Benjamin Netanjahu scharf. Im Gespräch mit RTS plädiert Barak für eine Zweistaatenlösung – aus strategischer wie moralischer Notwendigkeit.
SRF News: Gibt es Grund zu glauben, dass das laute, unkonventionelle Auftreten von Donald Trump letztlich Hoffnung für die Region bringen kann?
Ehud Barak: Wenn man sich die Grundzüge dieses Plans anschaut, ist das ein sehr guter Ausgangspunkt für Israel, um das nächste Kapitel zu verhandeln. Es widerspricht dem, was Netanjahu bisher vertreten hat – etwa in Bezug auf die Idee eines palästinensischen Staates.
Israel war schockiert über das Massaker vom 7. Oktober und die Geiselnahmen. Heute ist der Rest der Welt schockiert darüber, was in Gaza passiert – Hunger, Bombardierungen, zivile Opfer. Sie sagen: Benjamin Netanjahu habe kein Interesse daran, dass das aufhört. Können Sie das ausführen?
Der 7. Oktober hat es für Israel zum Imperativ gemacht, sicherzustellen, dass die Hamas niemals wieder über Gaza herrschen und Israel von dort aus bedrohen kann. Dieses Ziel – die Niederlage der Hamas als militärische Kampfkraft – wurde vor einem Jahr praktisch erreicht. Israel hat seither zudem Erfolge gegen die Hisbollah, in Syrien und im Iran erzielt. Eigentlich könnte das also eine gute Grundlage sein, um mit Selbstvertrauen und Stärke einen Sieg zu verkünden, die Geiseln nach Hause zu bringen und ein neues Kapitel zu eröffnen.
Netanjahu fürchtet, dass mit dem Ende des Krieges die Ermittlungen in seinem Strafverfahren beschleunigt werden.
Aber Netanjahu hat entschieden, dass der Krieg weitergehen soll. Wir sind jetzt bereits zum wiederholten Mal in jedem einzelnen Quartier des Gazastreifens präsent. Netanjahu wollte diesen neuen Krieg, den ich einen «Krieg der Täuschung» nenne, nur aus einem Grund: Es geht nicht um den Kampf gegen die Hamas aus militärischen Gründen. Es geht um das Überleben seiner Koalition und um sein eigenes politisches Überleben. Er fürchtet, dass mit dem Ende des Krieges die Ermittlungen in seinem Strafverfahren beschleunigt werden.
Israel scheint heute mächtiger denn je. Kann es so weitermachen und als Land überleben?
Nein. Das ist eine Illusion. Schauen Sie, Israel liegt in einer harten Nachbarschaft. Der Nahe Osten ist nicht wie die Schweiz, Westeuropa oder Skandinavien. Es ist eine raue Umgebung, in der Schwäche ausgenutzt wird. Aber die Vorstellung, dass man ewig in diesem konfrontativen Zustand leben kann, ist falsch. Das ist nicht nachhaltig.
Zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer leben heute etwa 15 Millionen Menschen – etwa zur Hälfte Juden und zur Hälfte Nichtjuden, meist Muslime. Wenn all das unter einem politischen Namen – Israel – geführt wird, wird es zwangsläufig entweder nicht jüdisch oder nicht demokratisch sein. Und das ist ein Problem.
Inwiefern?
Wenn diese Millionen Palästinenser das Stimmrecht erhalten, wird Israel über Nacht zu einem binationalen Staat mit muslimischer Mehrheit. Das wäre nicht mehr dasselbe Land. Wenn sie aber nicht wählen dürfen, ist es dauerhaft undemokratisch.
Wir haben einen moralischen und strategischen Imperativ, uns von den Palästinensern zu trennen.
Deshalb haben wir einen moralischen und strategischen Imperativ, uns von den Palästinensern zu trennen. Nicht, weil das ein Geschenk an die Palästinenser wäre, sondern weil es um unser eigenes Schicksal, unsere Zukunft und unsere Sicherheit geht. Wir müssen Platz schaffen für einen lebensfähigen palästinensischen Staat.
Das Gespräch führte Philippe Revaz (RTS).