- Washington plant eine «kleine Zahl» existierender Atomsprengköpfe von U-Boot-gestützten Langstreckenraketen umzurüsten.
- Auf lange Sicht soll auch ein atombestückter Marschflugkörper entwickelt werden, der ebenfalls U-Boot-gestützt ist.
- Als Abschreckung insbesondere gegenüber Russland und Nordkorea.
Die US-Regierung von Präsident Donald Trump will die Entwicklung neuer Atomwaffen mit einer geringeren Sprengkraft vorantreiben. Die Veränderungen sollten vor allem der Abschreckung gegenüber Russland dienen, heisst es in einem Bericht zur neuen Nuklearstrategie , den das Pentagon jetzt vorlegte.
Und das US-Verteidigungsministerium lässt keinen Zweifel über Sinn und Zweck seiner Pläne aufkommen: «Unsere Strategie soll sicherstellen, dass Russland versteht, dass jeder Einsatz von Atomwaffen – egal wie begrenzt – inakzeptabel ist».
Keine Informationen über Sprengkraft
Washington plant nach eigenen Angaben eine «kleine Zahl» existierender Atomsprengköpfe von U-Boot-gestützten Langstreckenraketen umzurüsten, um über eine Variante mit geringerer Sprengkraft zu verfügen. Und dabei soll es nicht bleiben. Denn auf lange Sicht soll zudem ein atombestückter Marschflugkörper entwickelt werden, der ebenfalls U-Boot-gestützt ist.
Offen lässt das Pentagon in dem Papier allerdings, wie gross die Sprengkraft der neuen Typen sein soll. Schliesslich verfügen auch «kleine Atomwaffen» («mini nukes») über ein gewaltiges Zerstörungspotential. Darunter fallen auch solche mit einer Sprengkraft von bis zu 20 Kilotonnen. Zum Vergleich: Auch die Atombomben, die die USA über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki abgeworfen hatten, lagen beide unter 20 Kilotonnen.
Wir müssen der Wirklichkeit ins Auge sehen und die Welt so sehen, wie sie ist, nicht so, wie wir es uns wünschen
Verteidigungsminister James Mattis schreibt im Vorwort des 74-seitigen Dokuments: «Wir müssen der Wirklichkeit ins Auge sehen und die Welt so sehen, wie sie ist, nicht so, wie wir es uns wünschen.» Darauf nehme man mit den Änderungen an der Strategie Rücksicht. Das Pentagon argumentiert, dass die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen durch die Veränderungen nicht sinke, sondern im Gegenteil erhöht werde. Man brauche die Waffen mit geringer Sprengkraft, um über eine «glaubwürdige Abschreckung» zu verfügen.
«Aus den Bunkern auf das Schlachtfeld»
Vor den fatalen Folgen einer derartigen Strategie warnen unter anderem Nichtregierungsorganisationen. «Es ist ein massiver Versuch, Atomwaffen aus den Bunkern zu holen und aufs Schlachtfeld zu verlegen», schreibt die Direktorin der Kampagne für atomare Abrüstung (Ican), Beatrice Fihn, auf Twitter. Die USA verfolgten nun nicht mehr eine Strategie, bei der der Einsatz von Atomwaffen möglich sei, sondern eine, bei der er wahrscheinlich sei.
Zentralen Raum nimmt in dem Pentagon-Papier die Frage ein, wie die US-Regierung auf die militärischen Strategien von Russland und China reagieren sollte. «Während die USA die Anzahl und den Stellenwert ihrer Atomwaffen verringert haben, haben andere, darunter Russland und China, sich in die entgegengesetzte Richtung bewegt», heisst es. «Sie haben ihren Arsenalen neue Typen von nuklearen Fähigkeiten hinzugefügt (...) und legen ein zunehmend aggressives Verhalten an den Tag, darunter im Weltraum und im Cyberspace.»
Auch auf das nordkoreanische Atomprogramm geht der Bericht ein. Nordkorea stelle eine «dringliche und unberechenbare» Bedrohung für die Vereinigten Staaten und seine Verbündeten dar. Das international isolierte Land sei möglicherweise nur noch Monate davon entfernt, die Fähigkeit zu entwickeln, die USA mit einer atombestückten Rakete zu treffen. Man habe deutlich gemacht, dass jeder nukleare Angriff gegen die USA oder verbündete inakzeptabel sei und zum «Ende des Regimes» führen würde, heisst es in dem Strategiepapier weiter. «Es gibt kein Szenario, in dem das Kim-Regime Atomwaffen einsetzen und überleben könnte.»
Strategie der Abschreckung untermauern
In einer Pressekonferenz betonten mehrere Regierungsvertreter, dass die USA Atomwaffen nur unter «extremen Umständen» einsetzen würden. Man sei aber zu dem Schluss gekommen, dass man flexiblere Typen von Atomwaffen brauche, um die Strategie der Abschreckung zu untermauern. Die Veränderungen würden nicht gegen bestehende Verträge zur Waffenkontrolle verstossen, erläuterte Vize-Verteidigungsminister Patrick Shanahan. In dem Bericht erklärt die US-Regierung, dass sie hinter diesen Verträgen stehe. Zugleich äussert sie sich wenig optimistisch, was den Abschluss neuer Abkommen angeht.
Seit 1994 ist es in den USA üblich, dass Präsidenten einen solchen «Nuclear Posture Review» vorlegen. Der nun vom Pentagon vorgelegte Bericht ist aber nur eine Zusammenfassung; das eigentliche Dokument wird als geheim eingestuft.
Russland reagiert auf Ankündigung
Russland hat die neue US-Atomwaffenstrategie kritisiert und mit Konsequenzen gedroht. Das Dokument richte sich gegen Russland, erklärte das Aussenministerium am Samstag in Moskau. Die USA steuerten
offenbar auf Konfrontationskurs. «Wir müssen diese
Herangehensweise von Washington natürlich bei unserem Handeln
berücksichtigen und werden die nötigen Massnahmen treffen, um
unsere eigene Sicherheit zu gewährleisten», erklärte das
Ministerium. Russland sei aber zur konstruktiven Zusammenarbeit
mit den USA bereit.