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Tschechische Präsidentenwahl «Diese Wahl zeigt sehr deutlich, wie gespalten das Land ist»

Tschechien hat heute seinen Präsidenten gewählt. Und die Tschechen hatten eine echte Wahl. Die beiden Kontrahenten in der Stichwahl hätten unterschiedlicher kaum sein können: Auf der einen Seite der amtierende Präsident Milos Zeman, ein Provokateur, russlandfreundlich, polarisierend. Auf der anderen Seite Jiri Drahos, politischer Neuling, ruhig, überzeugter Europäer. Gewonnen hat die Wahl Zeman. Osteuropa-Korrespondent Urs Bruderer schätzt das Resultat ein.

SRF: Was bedeutet diese Wahl für Tschechien?

SRF-Korrespondent Urs Bruderer: Diese Wahl zeigt sehr deutlich, wie gespalten das Land ist. Auf der einen Seite stehen Prag und die grossen Städte – die waren gegen Milos Zeman. Die übrigen Gebiete des Landes waren für ihn. Der Graben zwischen diesen beiden Lagern, dürfte durch diese Wahl noch grösser werden. Denn auf der einen Seite sind da die eher besser gebildeten Städter, die Zeman – einen Provokateur, Populisten und Russland-Freund – nur noch peinlich finden für ihr Land. Auf der anderen Seite sind diejenigen, die diese Menschen in Prag als verwöhnte Elite betrachten, zu der sie nicht zugelassen werden und der sie es wieder einmal zeigen konnten mit dieser Wahl.

Der Graben zwischen diesen beiden Lagern, dürfte durch diese Wahl noch grösser werden.
Autor: Urs Bruderer Osteuropa-Korrespondent

Die Wahl zeigt auch, wie man mobilisiert in Tschechien: Nicht auf die ruhige Art, wie das Professor Jiri Drahos tat, sondern mit einer Schmutzkampagne. Denn vor dieser zweiten Wahlrunde tauchten im ganzen Land Plakate auf, auf denen stand ‹Stoppt Migranten, stoppt Drahos. Dieses Land gehört uns›. Und dies, obwohl Drahos eigentlich auch nicht sehr flüchtlingsfreundlich ist. Er hat allerdings vor drei Jahren einmal gesagt, man sollte da ein bisschen mehr Offenheit zeigen. Und das wurde ihm jetzt mit dieser nicht sehr eleganten Kampagne um die Ohren geschlagen.

Tschechien ist momentan regierungslos. Der Sieger der letzten Wahlen, der Milliardär Andrej Babis, schaffte es bisher nicht, eine Regierung zu bilden. Er hat das Vertrauen der etablierten Parteien nicht. Zeman aber unterstützte Babis. Was heisst die Wahl von Zeman nun für die Regierungsbildung?

Sie heisst vor allem, dass Babis mehr Zeit hat, eine Regierung zu bilden. Denn mit Drahos als Präsidenten hätte er nur noch bis im März Zeit gehabt. Denn Drahos hätte ihn nicht mehr weiter unterstützt bei seinen Bemühungen. Zeman kann Babis jetzt sehr viel mehr Zeit lassen, wenn er möchte. Ob Zeman das wirklich tut, ist unklar. Bis jetzt hat Zeman nämlich Babis gebraucht und ihn darum auch unterstützt. Jetzt braucht Zeman Babis nicht mehr und Zeman ist sehr unberechenbar. Bis auf weiteres aber gilt: Für Babis ist diese Wahl eher ein Vorteil. Er kann nun länger probieren, andere Parteien dazu zu bewegen, ihn bei der Regierungsbildung zu unterstützen.

Ein Tschechien mit dem Duo Babis und Zeman an der Spitze: Ist das ein Tschechien, das sich von der EU entfernt?

Babis gibt sich bei jeder Gelegenheit Mühe, sich EU-freundlich zu zeigen. Bei Zeman ist das anders. Der sagt, er sei für eine Abstimmung über die Mitgliedschaft bei der Nato und bei der der EU. Und das ist im sehr EU-kritischen Tschechien eine gefährliche Sache, eine solche Abstimmung. Vor allem ist Zeman aber auch Russland-freundlich, er pflegt gute Beziehungen zu Putin, und seinem Umfeld werden gute Geschäftsbeziehungen nach Russland nachgesagt.

Vor allem aber entfernt sich das Land mit Babis und Zeman, wenn es so kommt, tatsächlich von der EU in dem Sinne, dass das Land möglicherweise weniger demokratisch wird. Beide sind keine sehr guten Demokraten. Zeman hat immer schon die Grenzen seines Amtes ausgereizt und manchmal sogar überschritten. Und Babis verachtet die politische Debatte. Er möchte das Land wie ein Unternehmen führen, da passt Debattieren für ihn nicht so wirklich rein. Und er könnte sogar versucht sein, die Justiz zu kontrollieren oder zu beeinflussen – um das Verfahren, das gegen ihn läuft, aufzuhalten oder zu stoppen. Babis wird vorgeworfen, möglicherweise EU-Subventionen erschlichen zu haben.

Urs Bruderer

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Portrait von Urs Bruderer

Der Journalist wirkt seit 2006 für SRF, zunächst als Produzent der Sendung «Echo der Zeit». 2009 wurde er EU-Korrespondent in Brüssel. Seit 2014 berichtet Bruderer aus Osteuropa. Er hat Philosophie und Geschichte studiert.

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