- Am 14. Mai wird in der Türkei der Präsident gewählt.
- Für den Amtsinhaber Recep Tayipp Erdogan könnte es eng werden. Sein Herausforderer Kilicdaroglu kann auf eine breite Unterstützung zählen.
- Bis zum 7. Mai dürfen Menschen mit türkischem Pass in der Schweiz wählen.
Seit mehr als 20 Jahren ist Recep Tayipp Erdogan in der Türkei an der Macht. Gemäss Umfragen muss der türkische Präsident nun aber um seine Wiederwahl bangen – er liegt knapp hinter seinem Herausforderer Kemal Kilicdaroglu.
Die Mobilisierung ist gross, auch in der Schweiz: Wahlberechtigte Menschen mit türkischem Pass dürfen hier seit dem Wochenende ihre Stimme abgeben. Mehr als 100'000 wahlberechtigte Türkinnen und Türken leben in der Schweiz. Damit sie ihre Stimme abgeben können, wurden in Zürich, Genf und Bern Wahlzentren eingerichtet.
Experte: Wahlverhalten im Ausland relevant
Die in der Schweiz lebenden Türkinnen und Türken stimmen grundsätzlich mehrheitlich gegen Erdogan und seine islamisch-konservative AKP, erklärt der Nahost-Experte Ali Sonay. Das erkläre sich durch die Migrationsgeschichte. «In die Schweiz sind mehrheitlich Menschen nach 1980 nach dem Militärputsch eingewandert, die ins Exil gegangen sind und die auch mehrheitlich aus Minderheiten stammen.»
Die Stimmen der Türkinnen und Türken im Ausland könnten diesmal sogar eine besondere Rolle spielen, sagt Nahost-Experte Christoph Ramm, von der Universität Bern. «Das Wahlverhalten im Ausland ist diesmal so relevant, weil eben die Wahlvoraussagen so knapp sind und der Herausforderer vorne liegt. Da kann natürlich, wenn das Ausland mehrheitlich für Erdogan stimmt, das durchaus den Ausschlag geben. Allerdings ist es nicht so klar vorauszusehen, weil die Opposition auch sehr stark mobilisiert und auch Menschen, die nach 2016 vor Erdogan geflohen sind, vielleicht auch gegen ihn stimmen werden.»
Vor allem in Deutschland gibt es ein grosses Wählerpotenzial, erklärt SRF-Türkei-Experte Philipp Zahn. Die Hälfte der rund 5.5 Millionen Menschen mit türkischem Pass ausserhalb der Heimat leben in Deutschland. Es sei aber zu erwarten, dass nach Deutschland emigrierte Türkinnen und Türken eher Erdogan wählten. Denn viele stammen gemäss Zahn in Deutschland aus Anatolien oder den Bergregionen und dort stünden noch viele Menschen hinter dem amtierenden Präsidenten.
Vorwürfe an Erdogan nach Erdbeben
Kemal Kilicdaroglu könnte Erdogan nun tatsächlich gefährlich werden. In einem millionenfach geklickten Video kritisierte er Erdogan. «Wenn Erdogan bleibt, dann wird diese Zwiebel bald hundert Lira kosten.» Hundert Lira, das wären umgerechnet rund 4.60 Franken. Die Türkei kämpft derzeit mit Inflationsraten von 50 Prozent und mehr, die hohen Nahrungsmittelpreise beschäftigen die Menschen.
Da kommt der studierte Ökonom gerade richtig. Kemal Kilicdaroglu nannte Erdogan bei einem Wahlkampftauftritt zum 1. Mai einen Tyrannen, versprach den Straftatbestand der Präsidentenbeleidigung abzuschaffen. Er kämpft für den Sozialstaat und eine unabhängige Justiz. Um ihn haben sich fünf Oppositionsparteien geschart. Damit hat er gute Chancen, Erdogan abzulösen.
Der türkische Präsident greift derweil seinen Herausforderer immer aggressiver an. Doch Erdogans Popularität gerät an ihre Grenzen. Im Südosten der Türkei sind die Folgen des gewaltigen Erdbebens vom Februar noch immer sicht- und spürbar. Viele Betroffene machen Erdogans Regierung mit dafür verantwortlich, dass Bauregeln missachtet wurden und Hilfe schlecht oder zu spät verteilt wurde.