Darum geht es: Irans Vizepräsident Mohammed Javad Zarif hat nach nur elf Tagen im Amt überraschend seinen Rücktritt erklärt. Damit lässt der ehemalige Aussenminister den neuen Präsidenten Massud Peseschkian einen Monat nach den Wahlen und inmitten der prekären Lage in Nahost mit seinen Plänen sitzen. Denn Peseschkian strebt neue Atomverhandlungen an, damit die Sanktionen gegen Iran gelockert werden. Zarif wäre für ihn der richtige Mann an vorderster Front gewesen, fiel doch in dessen Amtszeit als Aussenminister von 2013 bis 2021 das Atomabkommen, das die USA 2018 aufgekündigt haben.
Ein «Reformer»: Zarif ist vor allem als Aussenminister unter dem früheren Präsidenten Hassan Rohani in Erinnerung. Zarif gilt als moderat-konservativer Politiker aus dem Lager der Reformer. Zarif steht aber dafür, dass er den Kontakt zum Westen eigentlich immer aufrechterhalten hat. Auch spricht er Englisch, was bei iranischen Politikern nicht selbstverständlich ist. Er war auch immer so etwas wie das freundliche Gesicht Irans, wie Karin Senz, ARD-Korrespondentin in Istanbul, erklärt. Auch in der Ära Rohani galt aber Kopftuchzwang und es gab Hinrichtungen.
Gründe für den Rücktritt: Beim Rücktritt Zafirs stehen zwei Aspekte im Vordergrund: Als langjähriger Botschafter Irans bei den Vereinten Nationen haben seine in den USA geborenen Kinder die doppelte Staatsbürgerschaft. Weil Iran keine doppelten Staatsbürgerschaften anerkennt, kam er dadurch laut Medienberichten unter Druck. Der wichtigere Grund dürfte aber sein, dass er von Präsident Peseschkian in eine Expertengruppe gerufen wurde, um die Kandidatenliste für das Kabinett zusammenzustellen. Doch die empfohlenen 19 Minister wurden in der definitiven Kabinettsliste weitgehend ignoriert: Nur gerade drei Vorschläge im Sinne von Zarif standen drauf. Sunnitische Kandidaten sucht man vergebens, und nur eine Frau wird genannt. Auch das angestrebte Durchschnittsalter von unter 60 Jahren wurde nicht eingehalten. Zafir selbst räumte auf X den Fehler ein, die Interessen von Minderheiten und Frauen nicht genügend berücksichtigt zu haben.
Der Stratege: Zarif will sich nun wieder an die Universität zurückziehen, wohl auch aus Angst um seine Reputation. Er strebt zwar immer wieder nach vorne, ist aber auch ein gewiefter Stratege. So trat er etwa beim Präsidentschaftswahlkampf 2021 nicht an und bewarb sich auch 2024 nicht. Beim jetzigen Rücktritt wurde er anscheinend auch von Präsident Peseschkian unter Druck gesetzt. Dieser wird zwar ebenfalls dem reformnahen Lager zugerechnet und gilt als moderat konservativ. Über seine Freiheiten als Präsident war aber viel gemutmasst worden. Klar ist: Das Parlament wird von Ultrakonservativen dominiert, die am 17. August die Kabinettsliste beraten und abnicken werden. Offenbar sah Peseschkian keine Chance mit einer Reformer-Liste.
Folgen für Atomabkommen: Zarif war Mitglied eines Trios, das das Atomabkommen von 2015 wiederbeleben sollte, welches die USA drei Jahre später kündigten. Dazu gehörten auch der jetzt nominierte Aussenminister Abbas Araghchis sowie der Chef der nationalen Atomenergiebehörde. Dieses Trio hatte wohl auch Rückenwind vom obersten Führer Ayatolla Chamenei. Dieser hatte Peseschkian angewiesen, für die Aufhebung der Sanktionen zu sorgen.