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Überraschender Sieger Guatemala: Bernardo Arevalo zum Präsidenten gewählt

  • Bei den Präsidentschaftswahlen in Guatemala hat sich der Mitte-links-Kandidat Bernardo Arevalo gegen die ehemalige First Lady Sandra Torres durchsetzt.
  • Nach Auszählung von 94 Prozent der Stimmen lag Arevalo mit 59 Prozent uneinholbar vor Torres mit 36 Prozent, wie aus dem vorläufigen Wahlergebnis hervorgeht.
  • Torres sagte ihre für Sonntagabend geplante Pressekonferenz ab, berichteten lokale Medien.

Der 64-jährige Arevalo wird damit Nachfolger des konservativen bisherigen Amtsinhabers Alejandro Giammattei, der nach einer vierjährigen Amtszeit laut Gesetz nicht erneut antreten durfte.

Mann in Anzug mit ausgetstreckter Faust auf Balkon
Legende: Wahlsieger Bernardo Arevalo in Guatemala-City (20.08.23) REUTERS/Pilar Olivares

Der Wahlprozess in Guatemala war von Versuchen der politischen Elite und der Generalstaatsanwaltschaft beeinträchtigt, den mit der Hoffnung auf Wandel verbundenen überraschenden Aufstieg Arevalos mit juristischen Mitteln zu stoppen. Die Europäische Union hatte darüber ihre Besorgnis geäussert. Mehrere Kandidaten waren vom ersten Wahlgang aus umstrittenen Gründen ausgeschlossen worden.

Im Juni war Arevalo, der gegen die Korruption und Erosion der Demokratie in Guatemala vorgehen will, unerwartet zweitstärkster Kandidat im ersten Wahlgang geworden. Auf dem ersten Platz landete Torres. Bei den vorherigen beiden Wahlen war Torres jeweils in der Stichwahl gescheitert.

Jubelnde Menschen mit Flaggen Guatemalas
Legende: Tausende feierten den Wahlsieg ihres Kandidaten in den Strassen der Hauptstadt (20.08.23) AP Photo/Santiago Billy

Tausende Menschen verlassen jeden Monat das mit 17 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Land Mittelamerikas und versuchen auf der Suche nach einem besseren Leben, über Mexiko in die USA zu gelangen. Weitere wichtige Themen für die Guatemalteken sind Kriminalität, Inflation und Arbeitslosigkeit.

Einschätzung von SRF-Auslandredaktor

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«Bernardo Arevalo schafft die grosse Überraschung. Er und seine sozialdemokratische Partei Semilla, also Saatkorn, erobern den Präsidentenpalast in Guatemala-Stadt. Dort hat bisher mit ganz wenigen Ausnahmen stets ein Präsident regiert, der vor allem die Interessen der kleinen Wirtschaftselite vertrat.

Arevalo stammt zwar auch aus dieser Elite, er ist Sohn eines Ex-Präsidenten, doch er will mit seiner Bewegung Semilla auch die mehrheitlich indigene Bevölkerung des Landes repräsentieren. Im Wahlkampf versprach er, vor allem gegen Straflosigkeit und Korruption vorzugehen. Das ist eine eigentliche Kampfansage an das bisherige Establishment. Dieses hatte erschreckt versucht, mit juristischen Tricks Arevalo von der Stichwahl auszuschliessen. Dieser Versuch scheiterte wegen des grossen Rückhalts des linken Kandidaten unter der indigenen Bevölkerung und wegen des internationalen Drucks.

Wie viel Arevalo im armen, von Gewalt, Abwanderung und Klimawandel geplagten Guatemala aber tatsächlich verändern kann, ist offen. Denn der neue Präsident wird im Parlament über keine Mehrheit verfügen. Und Teile der Justiz sind gegen ihn. Darum ist es auch keineswegs ausgeschlossen, dass ein Gericht versuchen wird, Arevalos Wahl nachträglich für ungültig zu erklären. Der neue Präsident steht also in jeder Beziehung vor äusserst schwierigen Aufgaben.»

(Franco Battel, SRF-Auslandredaktor)

Heute Morgen, 21.08.23, 6 Uhr ; 

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