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Heftige Explosionen erschüttern Lwiw
Aus Echo der Zeit vom 26.03.2022. Bild: Keystone
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Ukraine-Krieg SRF-Korrespondent in Lwiw: «Ich sehe die Rauchsäulen aufsteigen»

Die Stadt Lwiw liegt im Westen der Ukraine, knapp 80 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt. Die Stadt ist ein Zufluchtsort für Hunderttausende Flüchtlinge. Die Menschen fühlten sich dort bisher einigermassen sicher. Doch heute wurde die Stadt angegriffen. SRF-Korrespondent David Nauer hält sich seit gestern in der Stadt Lwiw auf und schildert die dortige Lage.

SRF: Was können Sie zum heutigen Angriff auf Lwiw sagen?

David Nauer: Es gab einen Luftalarm hier in Lwiw und kurz danach gab es Meldungen über einen Raketenangriff auf die Stadt. Ich persönlich habe nichts gehört, keine Explosionen. Ich sehe aber von meinem Hotel aus grosse Rauchsäulen aufsteigen. Offenbar wurde die Gegend rund um den Fernsehturm angegriffen und möglicherweise auch andere strategische Ziele. So genau weiss man das noch nicht. Es gibt Meldungen, wonach mehrere Personen zu Schaden gekommen sind. Genaueres weiss man auch hier nicht. Was ich aber sagen kann, ist, dass unmittelbar nach dem Angriff im Stadtzentrum sehr viel Feuerwehr und Sanität unterwegs war. Es scheint schon etwas Ernstes passiert zu sein.

Wie war die Situation bislang in Lwiw?

Lwiw präsentiert sich überhaupt nicht wie man sich eine Stadt in einem Kriegsgebiet vorstellt. Die Strassen sind belebt, die Restaurants sind voll. Auch jetzt nach dem Angriff sind ziemlich viele Leute unterwegs. Auf den ersten Blick wirkt Lwiw wie immer, wie in Friedenszeiten.

Die Russen haben an mehreren Frontabschnitten Mühe vorwärtszukommen.

Auf den zweiten Blick wird der Krieg schon sichtbar. Einerseits sieht man bewaffnete Patrouillen, also Soldaten, in den Strassen. Man sieht, dass Kulturgüter zum Teil abgedeckt sind, damit sie bei einem allfälligen Bombenangriff nicht zu Schaden kommen. Dazu kommt, dass Lwiw ein Zentrum geworden ist für Flüchtlinge in diesem Krieg. Es gibt zahlreiche Anlaufstellen in der Stadt, wo diese Leute humanitäre Hilfe bekommen. Dort stehen viele Menschen an, weil sie dringend Essen, Hygieneartikel oder eine Unterkunft brauchen. Die Stadt hat nach offiziellen Angaben rund 200’000 Menschen aus anderen Teilen der Ukraine aufgenommen, und das bei einer Einwohnerzahl von rund 700’000 Einwohnern – also eine sehr grosse Zahl.

Die russische Armee hat gestern angekündigt, dass sie ihre Taktik ändern will und sich, wie sie sagt, auf die Befreiung des Donbass im Osten des Landes konzentrieren will. Der Vormarsch auf mehrere ukrainische Städte geriet ja ins Stocken. Nun erfolgte aber doch ein Angriff auf eine Stadt im Westen des Landes. Wie interpretieren Sie das?

Bei der russischen Regierung muss man ganz generell vorsichtig sein, wenn sie etwas sagt. Sie hat in den vergangenen Wochen öfters das eine gesagt und dann das Gegenteil davon getan. Aber diese angekündigte Konzentration auf den Donbass, also den Osten der Ukraine, würde militärisch schon Sinn ergeben. Die Russen haben an mehreren Frontabschnitten Mühe vorwärtszukommen. Auch westliche Militärexperten sagen, die Russen müssten sich auf eine Region beschränken, wenn sie militärisch noch etwas erreichen wollen. Das betrifft aber nur die Bodentruppen. Luftangriffe im ganzen Land sind weiterhin denkbar. Aber militärisch, auf dem Boden, dürften sich die Russen, das könnte durchaus sein, auf den Osten konzentrieren.

Mein Eindruck ist, dass sich die Ukrainer solche Angriffe schlicht gewohnt sind, auch wenn dies schrecklich ist.

Das würde auch Sinn ergeben, weil der Kreml den Donbass als eigentlich russisches Gebiet betrachtet und dieses deswegen erobern möchte. Es kann also gut sein, dass Moskau dort nun seine Angriffe verstärkt, der Krieg dort nun weiter eskaliert, während es zum Beispiel in der Gegend von Kiew zu weniger Bodenkämpfen kommen könnte in den nächsten Wochen.

Lwiw galt ja bislang als einigermassen sicher. Nun dieser heutige Angriff. Was löst das in der Ukraine aus?

Mein Eindruck ist, dass sich die Ukrainer solche Angriffe schlicht gewohnt sind, auch wenn dies schrecklich ist. Viele Städte im Land sind schon getroffen worden. Im Vergleich zu anderen Orten ist Lwiw immer noch relativ sicher, wenn man es mit Kiew vergleicht oder erst recht mit dem komplett geschundenen Mariupol. Bisher haben die russischen Angriffe den ukrainischen Widerstandswillen nicht zerstört, sondern im Gegenteil nur gestärkt. Die Ukrainer kommen mir unheimlich entschlossen vor. Sie sind auch erstaunlich optimistisch. Sehr viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe, glauben, dass sie diesen Krieg gewinnen werden, gewinnen können. Solche Angriffe wie heute auf Lwiw werden an der ukrainischen Zuversicht sicher nichts ändern.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

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Legende: SRF

Echo der Zeit, 26.03.2022, 18 Uhr ;

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