Um sein Studium bezahlen zu können, arbeitete Gerard Ekelmans bei einem Bestattungsunternehmen. Dabei geriet er in eine unmögliche Situation: «Ich musste der Mutter eines 18-Jährigen erklären, dass es nicht möglich ist, die Hand ihres Sohnes ein letzte Mal festzuhalten, weil dieser auf eine ganz schreckliche Art und Weise seinem Leben ein Ende gesetzt hatte», erzählt er.
Humanes Sterben muss möglich sein
Das Erlebnis hat Ekelmans, der damals noch studierte, nicht mehr losgelassen. Nach vielem Nachdenken und langen Gesprächen kam er zum Schluss, dass auch ein junger Mensch das Recht haben müsse, auf humanitäre Art und Weise sterben zu können – wenn es schon nicht möglich ist, seinen Suizid zu verhindern.
Mit diesen Gedanken im Kopf kontaktierte Ekelmans die NVVE, die niederländische Vereinigung für freiwillige Euthanasie. Dort stiess er auf offene Ohren. Inzwischen ist er Präsident der von ihm mitgegründeten Jugendabteilung der NVVE. Die Vereinigung hat 166'000 Mitglieder. Ein Prozent davon ist jünger als 40 und gehört zu dieser Jugendabteilung.
Sterbehilfe in den Niederlanden und der Schweiz
Für die Jugendabteilung des NVVE organisiert Ekelmans nun Kongresse und Symposien zum Thema Junge und aktive Sterbehilfe. Ausserdem ist er ist Mit-Initiant des «Café Doodnormal» (Café Stinknormal). So heissen die Anlässe, die einmal im Monat jeweils in einer anderen niederländischen Stadt abgehalten werden und die sich speziell an Junge richten. Dort wird ein Abend lang über aktive Sterbehilfe, die in den Niederlanden ganz selbstverständlich «Euthanasie» genannt wird, diskutiert.
Junge Menschen wollen über den Tod reden
Dafür gebe es zweifellos ein Bedürfnis, sagt Sebastiaan Hattink. Er ist Presseverantwortlicher der NVVE und Gesprächsleiter an den «Doodnormaal-Café»-Abenden. Über Euthanasie zu reden, sei für Junge manchmal nicht einfach: Eltern wollten nicht mit ihren Kindern über den Tod reden und auch im Freundeskreis werde das Thema oft tabuisiert.
Deshalb gibt es nun den Abend unter Gleichgesinnten, der übrigens an einem Tisch in einem ganz normalen Café abgehalten wird und nicht etwa in einem gemieteten Saal. Trotzdem sind es intime Treffen – Presse oder andere Zaungäste werden nicht zugelassen. Derzeit findet sich kaum ein Dutzend Junge bei den «Doodnormaal-Café»-Abenden ein. Doch das Interesse steigt.
Die Beweggründe für eine Teilnahme seien sehr unterschiedlich, sagt Hattink. «Es gibt körperlich oder geistig kranke Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich mit einem selbstgewählten Lebensende beschäftigten.» Aber es kämen auch solche, die mit Euthanasie in ihrer Familie konfrontiert worden seien und darüber reden möchten.
Debatte über «Letzte-Wille-Pille»
Gemeinsam sei allen eine anfängliche Zurückhaltung. Viele betonten zu Beginn der Treffen, sie seien nur zum Zuhören gekommen. Doch im Verlauf des Abends rückten sie dann heraus, weshalb sie wirklich am «Doodnormaal»-Treffen teilnähmen, so Hattink. So entstehe eine rege Diskussion und am Schluss gingen alle mit einem guten Gefühl nach Hause.
Zusammen diskutieren und Erfahrungen austauschen ist eines. Aber die jungen Leute haben auch einen Wunsch. In den Niederlanden findet derzeit eine intensive Debatte über die sogenannte «Letzte-Wille-Pille» statt, respektive über die Hilfe bei Selbsttötung. Derzeit ist beides noch verboten, aber eine Parlamentsmehrheit möchte dies ändern.
Auch Jugendabteilungs-Präsident Ekelmans hofft, dass diese «Letzte-Wille-Pille» in Zukunft auch seinen Mitgliedern zur Verfügung stehen wird. Übrigens wird aktive Sterbehilfe in den Niederlanden bei weniger als drei Prozent aller Todesfälle angewendet. Wie viele von diesen jünger als 40 Jahre alt sind, wird statistisch nicht erhoben.