Sie haben Menschen lebensgefährlich verletzt, getötet, vergewaltigt oder Kinder missbraucht. Weil sie weiterhin eine Gefahr sind, werden diese Straftäter verwahrt. Doch Verwahrung ist nicht gleich Verwahrung.
«Bei der ordentlichen Verwahrung wird eine Person, die eine schwere Gefahr für die Bevölkerung darstellt, nach der Freiheitsstrafe im Freiheitsentzug behalten», erklärt Jonas Weber, Strafrechtsprofessor an der Universität Bern.
Weitere Verwahrungsformen
Daneben gibt es die lebenslange Verwahrung für besonders schwere Straftäter. Sie wurde mit der Verwahrungsinitiative eingeführt: Der Täter hat seine Strafe abgesessen, die Gesellschaft soll aber weiter geschützt werden.
Als dritte Form sind die stationären therapeutischen Behandlungsmassnahmen bekannt, auch «kleine Verwahrung» genannt. Gerichte beschliessen diese, wenn Täter psychisch schwer gestört sind.
«Es ist eigentlich eine kritische Beurteilung der Behandlungsmassnahme, wenn diese in einer Strafanstalt oder einer Massnahmeeinrichtung ähnlich wie eine Verwahrung vollzogen wird», sagt Weber. So wie jetzt im Falle des Verurteilten Brian.
Betroffene, die einmal als gefährlich eingestuft worden sind, sind stigmatisiert.
Die Luzerner Kantonsrichterin Marianne Heer gehört zu den Kritikern der Schweizer Verwahrungspraxis, auch der kleinen Verwahrung: «Betroffene, die einmal als gefährlich eingestuft worden sind, sind stigmatisiert.» Sie hätten kaum eine Chance auf eine Lockerung der Praxis oder sich in Freiheit zu bewähren.
So sind stationäre therapeutische Massnahmen, also die kleinen Verwahrungen, auf fünf Jahre ausgelegt. Sie können aber immer wieder verlängert werden. Die Praxis zeige, sagt Heer, dass Entlassungen äusserst restriktiv gehandhabt werden.
Für den Vollzug der Verwahrungen sind die Kantone zuständig. Joe Keel ist Sekretär des Ostschweizer Strafvollzugskonkordats, dem Zusammenschluss der Ostschweizer Kantone.
Er hört es nicht gerne, wenn man von «kleinen Verwahrung» spricht: «Bei diesen Behandlungsmassnahmen steht die Therapie im Vordergrund. Die Zielsetzung ist die Wiedereingliederung.» Bei der Verwahrung stehe dagegen die öffentliche Sicherheit im Vordergrund: «Das sind völlig unterschiedliche Stossrichtungen.»
Die Zielsetzung der den stationären therapeutischen Massnahmen ist die Wiedereingliederung.
Faktisch, sagt Marianne Heer, gebe es keinen grossen Unterschied zwischen ordentlicher Verwahrung und kleiner Verwahrung – weil letztere immer wieder verlängert werden könne. Sie kritisiert, die therapeutischen Massnahmen verfolgten zu wenig das Ziel, die Betroffenen wieder in die Freiheit zu entlassen.
Niemand will sich vorwerfen lassen, ein Risiko eingegangen zu sein.
«Es müsste Übungsfelder in gelockertem Rahmen geben», so Heer. Tatsächlich wage das aber kaum eine Vollzugsbehörde oder ein Regierungsrat, der diesen Weisungen erteilt: «Niemand will sich vorwerfen lassen, ein Risiko eingegangen zu sein.»
Dass Täter, die zu einer stationären Therapie verurteilt wurden, nicht nach fünf Jahren frei kommen, liege in der Natur der Sache, entgegnet Keel: «Es gehört zum Wesen einer Massnahme, dass ihre Dauer unbestimmt ist. Das gilt auch für alle weiteren Massnahmen.» Dass dies für die Betroffenen belastend sein kann, kann er nachvollziehen.
Für Richterin Heer hätte es im Falle von Brian eine andere Option gegeben: eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, kombiniert mit einer ambulanten therapeutischen Massnahme, die schon im Gefängnis beginne. So könne man verhindern, dass ein Verurteilter auf unbestimmte Zeit verwahrt bleibe.