Seit 2005 hat kein französischer Präsident mehr eine Volksabstimmung angesetzt. Nun riskiert Emmanuel Macron einen neuen Anlauf: Er will den Umweltschutz in die Verfassung schreiben und das Volk darüber abstimmen lassen. Die Frage ist nur, ob er diese Vorlage überhaupt so weit bringt.
Artikel 1 soll es werden
Nicht irgendein Artikel der Verfassung, sondern Artikel 1. Dort soll es künftig heissen: Der Staat garantiert den Schutz der Umwelt, die Artenvielfalt und den Klimaschutz.
Bevor das Volk darüber befindet, braucht es den Segen des Parlaments. Dies dürfte bei der Nationalversammlung kein Problem sein, denn dort dominieren Macrons Partei «La République en Marche» und ihre Verbündeten. Schwieriger wird es beim Senat, wo die oppositionellen «Républicains» eine solide Mehrheit haben.
Parlament als Hürde
Das Problem für Macron: Bei einer Verfassungsänderung müssen sich die beiden Kammern auf einen identischen Text einigen. Im Normalfall entscheidet bei Differenzen die Nationalversammlung.
Senatspräsident Gérard Larcher ist seit drei Jahren praktisch inoffizieller Oppositionsführer. Er hält Macrons Abstimmungsprojekt im Grunde für überflüssig, wie er am Wochenende in einem Radio-Interview erklärte: Der Umweltschutz sei bereits in einer Charta als Zusatz zur Verfassung festgeschrieben.
Wenn man Umweltpolitik stärker in der Verfassung verankern und die Biodiversität erwähnen wolle, sei der Senat nicht grundsätzlich dagegen, so Larcher. Er werde den vorgelegten Text selbstverständlich offen diskutieren.
Niemand ist gegen Umweltschutz, aber…
Die Opposition will nicht den Anschein erwecken, Umweltpolitik sei für sie kein Thema. Also macht sie Vorschläge, wie der Artikel verändert werden könnte. Zum Beispiel möchte die Opposition die Formulierung «der Staat garantiert» durch einen schwächeren Begriff ersetzen, wie etwa «bevorzugen».
Vor allem aber gehöre Klimaschutz nicht in Artikel 1 der Verfassung, sondern auf die gleiche Stufe wie andere Grundrechte auch, etwa die Gleichheit von Mann und Frau oder die Unternehmensfreiheit, erklärt Larcher.
Vorschlag des Bürger-Konvents soll gelten
Wenn das Parlament den Text umschreibt, tut es, was Präsident Macron in der Regierung bewusst verhindert hat. Er übernahm wörtlich den Vorschlag, den ihm die sogenannte Klima-Konvention gemacht hatte, eine Versammlung aus 150 Bürgerinnen und Bürgern. Macron will damit also zeigen, wie wichtig ihm der Umweltschutz und der eigens von ihm einberufene Bürger-Konvent sind.
In gut einem Jahr stehen in Frankreich Präsidentschaftswahlen an. Das Parlament kann den Text nun ändern. Möglich, dass Macron dann sagt, der Artikel sei zu stark verwässert, und er verzichte auf eine Volksabstimmung. Oder das Parlament schickt das Geschäft endlos zwischen den beiden Kammern hin und her, bis es für eine Abstimmung in dieser Amtszeit zu spät sein wird.