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Ungarn in der Ukraine Viele ukrainische Ungarn suchen ihr Glück anderswo

In Transkarpatien leben immer weniger Ungarn. Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun – es hat ökonomische Gründe.

Der ukrainische Landstrich Transkarpatien grenzt an die Slowakei, Ungarn und Rumänien. Die Gegend ist Heimat zahlreicher Minderheiten und hat eine bewegte Geschichte.

Der Schriftsteller und Übersetzer Bandy Sholtes illustriert dies am Beispiel seiner Grosseltern: Sie wurden in die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn hineingeboren.

Später wurden sie Bürger der Tschechoslowakei, während des Zweiten Weltkriegs waren sie Bürger Ungarns. Und nach dem Krieg gehörten sie zur Sowjetunion. In den 90er-Jahren starben sie als Bürger der Ukraine. Und das alles, ohne je umgezogen zu sein.

Viele wandern aus

Sholtes ist mit der ungarischen Sprache aufgewachsen, die auch in Uschhorod gesprochen wird. Doch Ungarisch wird in der Region immer seltener gesprochen. Von der ursprünglich 150'000 Menschen zählenden ungarischen Minderheit ist rund die Hälfte inzwischen weggezogen.

Menschen und ein Hund auf einer verschneiten Einkaufsstrasse mit historischen Gebäuden.
Legende: Altstadt von Uschhorod. Insgesamt leben in der Stadt rund 115'000 Menschen (Zahl von 2022), darunter sind knapp 10'000 Ungarn. SRF/Judith Huber

Mit Diskriminierung habe das nichts zu tun, versichert Sholtes. Vielmehr seien die Freunde nach Ungarn gezogen, um dort zu studieren – und seien hängen geblieben. Oder sie seien der Arbeit und des besseren Lohnes wegen emigriert. Und der Krieg habe diese Auswanderungsbewegung noch beschleunigt.

Rund 70 Kilometer südöstlich von Uschhorod befindet sich die Kleinstadt Berehowe, ungarisch Beregszasz. Der Ort ist das Zentrum der ungarischen Minderheit in Transkarpatien.

Orb á n fördert die Abwanderung

An diesem regnerischen Tag wirkt die Innenstadt eher trist. Die beiden Teenager jedenfalls, die wir auf der Strasse ansprechen, wollen nichts wie weg: «Es gibt hier keine Perspektiven, keine Entwicklung, keine Beschäftigung, nichts», sagen sie.

Einer, der nicht wegwill und sich für die hiesigen Ungarn einsetzt, ist Laszlo Zubanics. Auch der Historiker, Journalist und Politiker spricht von der starken Abwanderung in dieser armen Region. Sie werde gefördert durch die Politik des ungarischen Premiers Viktor Orbán , der illegal Pässe an die hiesige ungarische Minderheit habe verteilen lassen.

Älterer Mann mit Brille steht vor einem farbenfrohen Gemälde.
Legende: Der Journalist Laszlo Zubanics ortet Orbans Passpolitik als mit ein Grund für die starke Abwanderung der Ungarn aus Transkarpatien. SRF/Judith Huber

Ein Grossteil seiner Mitbürger habe eine EU-Staatsbürgerschaft angenommen, insbesondere die ungarische, so Zubanics. Damit haben sie vollen Zugang zum dortigen Arbeitsmarkt, anders als die anderen Ukrainer und Ukrainerinnen.

Gesetz zum ukrainischen Sprachgebrauch

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Panoramablick über Uschhorod bei Dämmerung mit bewölktem Himmel.
Legende: Blick über Uschhorod. Imago

Die Ukraine hatte 2017 ein Gesetz erlassen, das den Sprachgebrauch der ukrainisichen Ungarn einschränkt und das Ukrainische fördert. Doch auf Druck der EU hat das ukrainische Parlament das entsprechende Gesetz letzten Dezember angepasst. Noch ist Laszlo Zubanics nicht ganz zufrieden damit. Er meint aber, im Laufe des Annäherungsprozesses an die EU liessen sich die Gesetze noch anpassen, das Problem also demokratisch regeln.

Auch die Ukraine will in die EU – und ausgerechnet Orbán ist es, der sich dagegen wehrt, indem er auf angebliche Diskriminierung der transkarpatischen Ungarn verweist. Zubanics selber hat allerdings nie Diskriminierung erlebt, wie er selber betont.

Propaganda und Fakenews der Russen

Einzig 2018 habe es Einschüchterungsversuche gegeben von Gruppen von Rechtsextremen mit faschistischen Emblemen. Doch Zubanics sagt, das sei vor allem politische PR gewesen. Versuche, die Lage zu destabilisieren.

Tatsächlich schlägt der ungarischen Minderheit in der Ukraine zum Teil Misstrauen entgegen, man unterstellt ihr separatistische Tendenzen. Doch viele der besagten Ereignisse stellten sich im Nachhinein als russische Provokationen heraus und hatten nichts mit ukrainischen Neonazis zu tun.

Und auch jetzt, zu Zeiten des Krieges, versuchen russische Akteure, mit Falschinformationen die ungarische Minderheit zu verunsichern.

Experten ihrerseits gehen davon aus, dass es in 30 Jahren in dieser Region keine ungarische Minderheit mehr geben werde. «Das wäre sehr traurig», sagt Sholtes in Uschhorod. Denn damit ginge eine mehr als tausendjährige Geschichte zu Ende.

Echo der Zeit, 3.5.2024, 18:00 Uhr

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