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UNO-Sicherheitsrat «Wir lassen uns nicht unter Druck setzen»

Die Schweizer Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat ist umstritten. Gegner argumentieren mit der Neutralität, mit der Gefahr, die Schweiz würde zu Positionsbezügen gezwungen und von Grossmächten unter Druck gesetzt. Solche Bedenken hinderten andere neutrale Länder nicht daran, Einsitz im Sicherheitsrat zu nehmen, wie zum Beispiel Österreich oder auch Finnland. Ein Gespräch mit Carl Skau, dem damaligen schwedischen UNO-Botschafter und jetzigen Chef der UNO-Abteilung im Aussenministerium in Stockholm.

Carl Skau

Carl Skau

Chef der UNO-Abteilung im Aussenministerium in Stockholm

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Carl Skau war damaliger schwedischer UNO-Botschafter. Er ist der jetzige Chef der UNO-Abteilung im Aussenministerium im schwedischen Stockholm.

SRF: War in Schweden – wie heute in der Schweiz – die Kandidatur als neutrales Land für den UNO-Sicherheitsrat umstritten?

Carl Skau: Eine Diskussion gibt es immer. Zumal eine Mitgliedschaft im Sicherheitsrat ein Grossprojekt ist und enorme Verantwortung mit sich bringt. Das gilt für neutrale genauso wie für nicht neutrale Länder. Für uns in Schweden aber war von vornherein klar: Wenn wir Mitglied der UNO sind, müssen wir dort auch anspruchsvolle Aufgaben übernehmen. Nicht zuletzt im Sicherheitsrat, der wichtigsten internationalen Bühne für Frieden und Sicherheit. Es gibt in Schweden einen Konsens, dass wir uns da nicht drücken dürfen.

Waren die Schweden stolz auf die Mitgliedschaft ihres Landes im mächtigsten UNO-Gremium? Oder interessierte es sie kaum?

Die meisten meiner Landsleute finden, dass es durchaus auf die Stimme Schwedens ankommt. Als wir 2017 wieder im Sicherheitsrat sassen, bekamen die USA einen neuen Präsidenten.

Der UNO-Sicherheitsrat war zunehmend blockiert, ja geradezu dysfunktional.

Die Spannungen zwischen den Grossmächten wuchsen, und der UNO-Sicherheitsrat war zunehmend blockiert, ja geradezu dysfunktional. Das ist natürlich schlecht. Aber zugleich wurden Länder, die vermitteln wollten, wichtiger. Insgesamt konnten wir uns in den zwei Jahren im Sicherheitsrat stärker einbringen und mehr bewirken als wir selbst und die schwedische Öffentlichkeit erwartet hatten.

Ging Schweden mit konkreten Vorhaben und Plänen in den Sicherheitsrat?

Man muss da bescheiden bleiben. Der UNO-Sicherheitsrat wird sehr stark von aktuellen Entwicklungen getrieben. Oft reagiert er eher, als dass er agiert. Trotzdem hatten wir eine Agenda. In deren Zentrum stand der Zusammenhang von Frauen, Frieden und Sicherheit. Es gelang uns, diesen Aspekt in zahlreiche UNO-Resolutionen einzubringen.

Wo konnten sie Erfolge erzielen, wo sind sie gescheitert?

Generell hat sich die Welt in den zwei Jahren, als wir im Sicherheitsrat sassen, nicht zum Positiven entwickelt. Aber trotz dieser schwierigen Ausgangslage haben wir einiges erreicht. So setzten wir uns stark ein für humanitäre Hilfe im Jemen, das damals geradewegs in eine Katastrophe schlitterte.

Aus dem Engagement für die humanitäre Hilfe in Jemen erwuchs für uns eine politische Rolle mit den Jemen-Friedensverhandlungen in Schweden, die zum Stockholmer Friedensabkommen führten.

Aus diesem Engagement erwuchs dann für uns auch eine politische Rolle mit den Jemen-Friedensverhandlungen in Schweden, die zum Stockholmer Friedensabkommen führten. Der dort lancierte Prozess steht noch heute im Zentrum der Friedenssuche für Jemen.

Wie gross ist der Einfluss eines bevölkerungsmässig eher kleinen Landes in einem Gremium, in dem seit jeher die fünf Vetomächte den Ton angeben?

Kleine Länder erreichen vor allem dann etwas, wenn sie Partner finden. Wenn sich die zehn nichtständigen Mitglieder im Sicherheitsrat zusammenschliessen, vermögen sie einiges zu bewegen und können Druck machen auf die Vetomächte.

Ein relativ kleines Land erreicht dann am meisten, wenn es eine klare, nachvollziehbare Linie verfolgt.

Zudem erreicht ein relativ kleines Land dann am meisten, wenn es eine klare, nachvollziehbare Linie verfolgt. Wir haben das getan, indem wir uns konsequent für das Völkerrecht, für das humanitäre Kriegsvölkerrecht, für internationale Standards und die Menschenrechte einsetzten. Egal, ob es nun um Burma, Palästina, Syrien oder Jemen ging. Das verschaffte uns Glaubwürdigkeit.

Zahlte sich das konkret aus?

Im Syrienkonflikt. Wir konnten drei Resolutionen für humanitäre Hilfe in Syrien durchbringen. Dies in einem Konflikt, indem zuvor alle anderen Resolutionen gescheitert waren. Es gelang uns, eine Allianz für diese Resolutionen zu schmieden und so Russland zu isolieren. Moskau verzichtete am Ende darauf, diese drei humanitären Resolutionen mit seinem Veto zu verhindern, obschon es sonst im Syrienkonflikt immer wieder sein Veto eingelegt hat.

Gab es Momente, wo das neutrale Schweden darauf verzichtete, Position zu beziehen und sich in die Stimmenthaltung flüchtete?

Wir haben versucht, das zu vermeiden. Eigentlich sollte man sich nur der Stimme enthalten, wenn der Entscheidungsprozess unbefriedigend war, wenn nicht ausreichend versucht wurde, einen Kompromiss hinzukriegen. Aber in der Substanz, in den zentralen Fragen muss man sich entscheiden. Das ist nicht immer einfach.

Wurde Schweden manchmal von Grossmächten unter Druck gesetzt und gedrängt, sich ihrer Position anzuschliessen?

Ja, vor allem zu Beginn unserer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat. Manchmal gab es direkte Versuche, manchmal versteckte, aber dennoch ärgerliche. Mit der Zeit haben aber die grossen Mächte gemerkt, dass wir unseren Prinzipien treu bleiben, dass wir uns nicht unter Druck setzen lassen. Damit erarbeiteten wir uns Respekt. Und die Länder haben die Druckversuche weitgehend aufgegeben.

Musste sich Schweden dennoch jemals solchem Druck beugen?

Nicht, dass ich mich erinnern kann. Wir hatten den Vorteil, dass wir in der UNO-Botschaft in New York die volle Unterstützung unserer Regierung zu Hause in Stockholm genossen, unseren Prinzipien treu zu bleiben.

Das Interview führte Fredy Gsteiger.

Echo der Zeit, 29.10.2020, 18:00 Uhr;

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