Seit mehr als drei Jahren wird Afghanistan wieder von den radikalislamischen Taliban regiert. Vor allem die Frauenrechte werden unter ihrem Regime mit Füssen getreten, die Lebensumstände für Frauen und Mädchen haben sich massiv verschlechtert.
Jetzt meldet das UNO-Programm für Entwicklung UNDP: Die Wirtschaft des Landes wächst wieder.
Mehr Einnahmen für die Taliban
Das sei keine wirkliche Überraschung, sagt Kanni Wignaranja. Sie ist Regionaldirektorin der UNO-Entwicklungsorganisation UNDP für Asien und die Pazifikregion.
Man habe schon länger beobachtet, dass die Taliban mehr Einnahmen aus dem grenzüberschreitenden Handel, aus Steuern sowie grossen Minen- und Infrastrukturkooperationen erzielt hätten. Auf Staatsebene sei das erfreulich, sagt Wignaranja.
Enttäuschend sei aber, dass die Einkommen der normalen Bevölkerung davon überhaupt nicht profitiert hätten – wie man das eigentlich erwarten würde. Die Haushaltseinkommen seien sogar deutlich geschrumpft.
Es dürfte eher noch schlimmer werden – selbst wenn die Wirtschaft weiter wachsen sollte.
Als Folge davon würden die afghanischen Haushalte immer tiefer in der Armut versinken, so Wignaranja. «Das zeigen Haushaltsumfragen der UNDP in ganz Afghanistan.»
Keine Gesundheitsversorgung, kein Zugang zu Bildung
Demnach haben drei Viertel der Haushalte keinen Zugang zu Gesundheits- oder Wasserversorgung. Auch haben sie kein Geld, um mehr in Bildung oder auch nur in die Bewässerung ihrer Felder zu investieren.
Fast alle Haushalte hätten auch keinerlei finanziellen Puffer, um Schocks abzufangen wie etwa Naturkatastrophen, die in Afghanistan häufig vorkommen.
Die Lage sei sogar noch deutlich schlechter als im Vorjahr, heisst es vom UNDP. Der Grund: Die Mehreinnahmen des Staates, also der Taliban, seien nicht lokal an die Bevölkerung verteilt worden.
Viel Hoffnung, dass sich die Lage der normalen Afghanen und Afghaninnen verbessert, hat die UNDP-Regionaldirektorin nicht. «Es dürfte eher noch schlimmer werden – selbst wenn die Wirtschaft weiter wachsen sollte», stellt sie fest.
Denn erstens schickten Nachbarländer wie Pakistan seit Monaten hunderttausende afghanische Flüchtlinge zurück in ihre Heimat. Und zweitens kürzten grosse Geberländer wie die USA ihr Budget auch für Afghanistan massiv.
Entwicklungsgelder brechen weg
Geld aus Entwicklungsprojekten ist noch immer eine wichtige Einnahmequelle für Afghanistan. Und bisher entfielen rund 40 Prozent der Gesamtsumme auf die USA. Dass ein Grossteil davon gestrichen wird, dürfte die Not der Bevölkerung noch deutlich vergrössern.
Mehr Flüchtlinge, weniger Hilfsgelder: Beides seien massive Schocks für diesen fragilen Staat, sagt Wignaranja. Diese Schocks seien in der aktuellen wirtschaftlichen Bestandsaufnahme der UNDP noch nicht einmal berücksichtigt.
Sollten auch künftig die Mehreinnahmen des Staates nicht an die Bevölkerung verteilt werden und Frauen weiter daran gehindert werden, zum Familieneinkommen beizutragen, dann habe Afghanistan eine düstere Zukunft vor sich.