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Unterschied Ost-West Öffnet sich die Lohnschere in Deutschland wieder?

In Deutschland sind die Lohnunterschiede zwischen Ost und West noch immer gross. Doch die Zahlen sind umstritten.

Das ist passiert: 35 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung verharren die Lohnunterschiede einem Medienbericht zufolge zwischen West und Ost immer noch auf hohem Niveau. Der Durchschnittsbruttolohn für Vollzeitbeschäftigte liegt in Ostdeutschland mehr als 13’000 Euro oder 21 Prozent unter dem in den alten Bundesländern, schreibt das «Redaktionsnetzwerk Deutschland» (RND) vorab und beruft sich dabei auf die Jahresbilanz für 2024 des Statistischen Bundesamts, die das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) abgefragt hat. Demnach gibt es im Vergleich zum Vorjahr eine flächendeckende Steigerung der Durchschnittslöhne – in absoluten Zahlen aber öffnet sich die Schere zwischen Ost und West weiter.

Die Zahlen im Detail

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2023 hatten laut dem Vorabbericht westdeutsche Vollzeitbeschäftigte im Schnitt 60’798 Euro brutto verdient, ostdeutsche 48’023 Euro, ein Unterschied von 12’775 Euro. 2024 lag der Durchschnitt im Westen nun bei 63’999 Euro Jahresbruttogehalt, im Osten bei 50’625 Euro, ein Unterschied von 13’374 Euro. Am wenigsten verdienen Vollzeitbeschäftigte in Sachsen-Anhalt (46’708 Euro) und Thüringen (46’720 Euro), am meisten in Hessen (62’915 Euro) und Hamburg (62’517 Euro).

Die Kritik des BSW: «Die Löhne der normalen Arbeitnehmer in Deutschland sind insgesamt viel zu niedrig, auch weil die regierungsgetriebene Inflation der letzten Jahre tief ins Portemonnaie der Bürger gegriffen hat», sagte Sahra Wagenknecht dem RND. «Im Schnitt 13’374 Euro weniger Lohn im Osten bei Vollzeitbeschäftigten ist 35 Jahre nach der Deutschen Einheit eine beschämende Bilanz.»

Das sagt der Experte: Fällt der Osten also wirtschaftlich hinter den Westen zurück? Dem sei nicht so, sagt Arbeitsökonom Steffen Müller vom Institut für Wirtschaftsforschung im Ostdeutschen Halle gegenüber SRF. «Die Unterschiede bei Löhnen und Einkommen haben sich seit der Wiedervereinigung massiv verringert. Direkt nach der deutschen Einheit lagen die verfügbaren Einkommen im Osten bei nur 60 Prozent des Westniveaus. Heute sind es rund 90 Prozent.» Dies sei ein grosser Erfolg, wenn auch Unterschiede verbleiben, so Müller.

Der Vergleich: Der Ökonom weist darauf hin, dass auch im Westen Deutschlands Unterschiede bestehen. «Wenn man das Saarland mit Bayern vergleich, sieht man, dass die Lücke bei den Einkommen grösser ist als zwischen Ost und West. Und es gibt sogar ein ostdeutsches Bundesland, wo die verfügbaren Einkommen über denen im Saarland lagen.»

Bild relativiert sich: Bei genauerer Betrachtung liegt der Lohnzuwachs laut Müller um 5.4 Prozent im Osten und 5.3 Prozent im Westen fast gleich. «Der langfristige Trend ist eindeutig: Es gab eine starke Angleichung, aber es gibt noch Unterschiede. Diese liegen darin, dass sich Löhne langfristig an der Produktivität orientieren müssen und die Produktivität der ostdeutschen Unternehmen nach wie vor niedriger ist als im Westen.» Dies sei dem geschuldet, dass die grossen Konzernzentralen im Westen seien und dort auch Forschung und Entwicklung in grossem Stil geleistet werden. «Aber auch bei der Produktivität ist es so, dass es eine starke Angleichung in den letzten Jahren gab.»

Müller weist Kritik des BSW zurück: «Wir sehen regelmässig, dass die Linke und jetzt auch das BSW solche Zahlen abfragen und so versuchen, eine skandalträchtige Schlagzeile zu erzeugen. Hier ist es, wie gesagt, aus dem langfristigen Kontext gerissen, und dabei entsteht ein schiefes Bild. Es geht nur darum, Empörung zu erzeugen», sagt Müller. Ausserdem werde durch diese Zahlen der Eindruck erweckt, dass eine vollständige Angleichung zwischen Ost und West das ist, was man erwarten müsste. Dies entspreche nicht der Realität: «Das ist auch in anderen Ländern nicht der Fall. Die regionalen Unterschiede sind in anderen Ländern teilweise sehr viel grösser als innerhalb Deutschlands.»

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SRF 4 News, 2.9.2025, 6:18 Uhr ; 

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