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Unwetter in Griechenland «An Entwarnung ist nicht zu denken»

Nach heftigem Regen mit Tod und Verwüstung bleibe die Lage westlich von Athen dramatisch, berichtet Journalistin Rodothea Seralidou.

SRF News: Die Bürgermeisterin der Ortschaft Mandra in der Provinz Westattika spricht von einen «Desaster biblischen Ausmasses». Stimmt das?

Rodothea Seralidou: Ihre Worte beschreiben die Lage sehr gut. Es sind wirklich Szenen wie aus einem Katastrophenfilm. Zentrale Strassen hatten sich gestern durch den starken Regen in Flüsse verwandelt. Die Autos schwammen weg wie Möbel. Ganze Bäume wurden durch die Wucht des Wassers entwurzelt. Es gibt bisher 16 Tote, viele Verletzte. Viele Menschen sassen in ihren Häusern fest. Man vergleicht das Unwetter mit Katastrophen von 1961 und 1999, die ähnlich heftig gewesen sein sollen.

Besonders stark hat es die Stadt Nea Peramos in einer beliebten Ferienregion getroffen. Wie ist die Lage dort.?

In Nea Peramos standen gestern viele Geschäfte und Häuser unter Wasser. Geschäftsleute beklagen, dass sie ihr Hab und Gut verloren haben, zumal in Griechenland die meisten nicht gegen Unwetterschäden versichert sind. Sie stehen vor dem Nichts. Auch der Donnerstagmorgen offenbart die Zerstörung. Die Strassen sind schlammbedeckt, die nassen Fassaden belegen, dass das Wasser bis zu zwei Meter hoch stand.

Die meisten Menschen in Griechenland sind nicht gegen Unwetterschäden versichert.
Autor: Rodothea Seralidou

Wo kommen die Obdachlosen jetzt unter?

Die meisten finden bei Freunden und Verwandten in anderen, weniger stark betroffenen Ortschaften Unterschlupf. Das Verteidigungsministerium stellte zusätzlich Militärunterkünfte zur Verfügung. Möglicherweise müssen noch weitere Hallen geöffnet werden. Für die Bewohner wurde eine Art Armenküche aufgestellt, damit alle eine warme Mahlzeit bekommen.

Hat die Regierung bereits finanzielle Hilfen in Aussicht gestellt?

In einer Fernsehansprache kündigte der Premierminister gestern Hilfe an. Die Regierung werde sowohl die Anwohner als auch die Ladenbesitzer unterstützen. Dazu wurde eine dreitägige Staatstrauer angeordnet. Wie hoch die finanzielle Unterstützung tatsächlich sein wird, wird sich vermutlich erst zeigen, wenn das Ausmass der Katastrophe berechnet werden kann.

Kann Griechenland die Schäden alleine stemmen?

Nein, davon ist nicht auszugehen. Deshalb hat das Land auch EU-Hilfe eingefordert, unter anderem durch den europäischen Solidaritätsfonds. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat gestern erklärt, die Hilfsmechanismen der EU stünden den griechischen Behörden zur Verfügung. Die EU dürfte Griechenland also mit Rettungspersonal und auch finanziell beistehen. Es gibt auch einzelne Länder, die ihre Hilfe angeboten haben, darunter die Türkei. Trotz Spannungen haben sich Griechenland und die Türkei immer wieder gegenseitig bei Naturereignissen geholfen.

Was weiss man über die Ursache der starken Regenfälle?

Wetter- und Umweltexperten sehen eine Rolle der Klimaerwärmung. Über Griechenland hängt seit Tagen ein grosses Tief. Es herrscht eine enorme Luftfeuchtigkeit mit für Mitte Novmber sehr milden Temperaturen von über 20 Grad. Das Tief bewegt sich damit nur langsam und hat heftige Regenfälle zur Folge. Der Regen ist aber nur eine Seite. Der menschliche Faktor spielt eine ebenso grosse Rolle. So etwa die grossen Waldbrände in jedem Sommer, wodurch das Wasser keinen natürlichen Widerstand mehr findet und mit hohem Tempo alles mitreisst.

In den letzten Jahrzehnten wurde ohne Rücksicht auf die Natur gebaut. Dazu kommen die jährlichen Waldbrände.
Autor: Rodothea Seralidou

Auch auf den Hügeln rund um die zurzeit überschwemmten Gebiete sind die Wälder abgebrannt. Gleichzeitig wurden in den letzten Jahrzehnten die natürlichen Flussläufe zubetoniert. Damit wurde aus der früheren Kleinstadt Athen innert weniger Jahrzehnte eine Fünf-Millionen-Metropole. Es wurde gebaut, was das Zeug hält, ohne Rücksicht auf die Natur.

Für die nächsten Tage sind weitere Regenfälle angesagt, was bedeutet das für die Menschen?

Umweltexperten warnen, dass sich ähnliche Szenen auch in anderen Regionen rund um Athen abspielen könnten. Entwarnung gibt es auf gar keinen Fall, im Gegenteil.

Das Gespräch führte Hans Ineichen.

Video
Aus Strassen werden reissende Flüsse
Aus SRF News vom 15.11.2017.
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