Das Wichtigste in Kürze
- Tropensturm Harvey hat die Stadt Houston praktisch unter Wasser gesetzt.
- Meereswissenschaftler Sam Brody sieht die Katastrophe als hausgemacht an.
- Je mehr Leute in Houston leben, umso mehr Land wird asphaltiert. Das Wasser kann immer schlechter abfliessen.
Offiziell ist man stolz in Texas, stolz auf die Solidarität der Menschen, die sich gegenseitig aus den Fluten fischen. Stolz auf die Katastrophenhelfer, die schnell und zahlreich vor Ort waren. Der texanische Gouverneur Greg Abbot sagte es gestern so: «Unsere Leben hängen nicht von den Herausforderungen ab, sondern davon, wie wir diesen begegnen.»
Rasante Stadtentwicklung
Das mag in den Ohren des Meereswissenschaftlers Sam Brody von der Texas A&M Universität etwas verdreht klingen. Denn er sagt: «Die Katastrophe ist menschgemacht.» Es ist die Entwicklung durch Menschen, die die Flutschäden über die Zeit hinweg verschärft. Brody spricht von der rasanten Stadtentwicklung in der Region Houston.
«Wir zählen jedes Jahr 100’000 mehr Menschen – und mit ihnen kommen Parkplätze, Asphalt, Dächer, Strassen, die es dem Wasser verunmöglichen, wieder langsam in die Landschaft zu versickern», sagte Brody auf NBC.
Houston war gewarnt
In Harris County rund um Houston leben inzwischen sechseinhalb Millionen Menschen. Die Zugezogenen bevölkern Hochrisikogebiete für Flutkatastrophen, das zeigt der Risikoplan der Nothilfebehörde FEMA.
Ganze US-Volkswirtschaft wäre betroffen
Doch nicht nur Menschen siedeln, wo sie nicht sollten. Am Houston Ship-Channel, der das Industriegebiet mit dem Golf von Mexiko verbindet, sammeln sich Dutzende von Raffinerien und Chemiefabriken; ein Drittel des Benzins und Zweidrittel des Kerosins, das die USA verbrauchen, wird in Houston erzeugt. Fallstudien zeigen, dass bei einem Wortscase-Szenario, die gesamte US-Volkswirtschaft stark betroffen wäre.
Harvey ist nicht der erste Hurrikan, der Houston trifft; 2008 verursachte sein Bruder Ike in den USA Schäden von rund 30 Milliarden Dollar und kostete über 100 Menschen das Leben. Und dennoch: Schutzdämme wie in New Orleans gibt es vor Houston nicht. Pläne für eine Küstensperre nach holländischem Modell sind zwar vorhanden, aber mit der Finanzierung wollte es bisher nicht klappen.
Die investigative Journalistin Neena Satjia konfrontierte die Behörden von Houston und Texas mit den wissenschaftlichen Risikoabschätzungen. Diese zeigten sich aber kaum alarmiert, sagte sie im NPR-Interview. Das seien doch seltene Ereignisse, so die Behörden laut Satjia. Und sie zweifelten daran, ob man bereit wäre, Milliarden für ein Schutzsystem auszugeben.
Derzeitiger Gouverneur von Texas glaubt nicht an den Klimawandel
Die grosse Frage sei, wie selten solche Katastrophen in Zukunft auftreten würden. Die Wissenschaft zeigt sich mehr und mehr einig, dass diese Art von Stürmen wegen des Klimawandels stärker und häufiger vorkommen werden. Bevölkerungswachstum und Klimawandel: Wenn man diese zwei Punkte kombiniere, habe man ein grosses Problem.
Das sehen nicht alle so. Der derzeitige Gouverneur von Texas hält die menschliche Einwirkung auf den Klimawandel für nicht gesichert, ebenso sein Vorgänger. Und dieser Rick Perry ist heute Energieminister in Washington.
Derweil regnet es weiter in Houston. Womöglich regnet es noch bis Donnerstag, sagen die Prognosen. Eine Schadensbilanz wird erst möglich sein, wenn Harvey sich ausgetobt hat.