Zum Inhalt springen

Urteil zur Atomkatastrophe Fukushima-Manager müssen 95 Milliarden Franken bezahlen

Die Rekordsumme soll die japanischen Manager daran erinnern, dass sie persönlich für ihr Handeln verantwortlich sind.

Darum geht es: Vier ehemalige Spitzenmanager des japanischen Energiekonzerns Tepco sind mehr als elf Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima zu milliardenschweren Schadenersatz-Zahlungen verurteilt worden. Die vier Verantwortlichen hätten die Katastrophe abwenden können, begründete das Gericht die Strafzahlung von insgesamt umgerechnet fast 95 Milliarden Franken. Geklagt hatten Aktionäre der börsennotierten Tepco.

Deshalb ist das Urteil wichtig: Erstmals hat ein Gericht die Verantwortlichkeit der AKW-Betreiberfirma Tepco für die Atomkatastrophe von Fukushima festgestellt. Am 11. März 2011 hatte ein Erdbeben der Stärke 9.1 gut 100 Kilometer vor der Ostküste Japans einen riesigen Tsunami ausgelöst, der nicht nur tausende Menschen in den Tod riss, sondern auch einen GAU im AKW von Fukushima auslöste. Hunderttausende Menschen mussten die Region um das AKW dauerhaft verlassen.

Das ist die Begründung des Gerichts: Laut dem Richter hätten die Tepco-Manager die Möglichkeit eines Tsunamis voraussehen müssen. So hatte eine Tochtergesellschaft von Tepco schon 2002 aufgrund einer Studie vor der Tsunami-Gefahr für die Reaktorblöcke in Fukushima gewarnt. Nun sagt das Gericht, ein verantwortungsvoller Manager hätte diese Warnung ernst genommen und vorausschauend gehandelt und etwa die Notstromaggregate besser geschützt. Diese waren nach dem Tsunami ausgefallen, woraufhin die Reaktorblöcke nicht mehr gekühlt werden konnten und es zur Kernschmelze kam.

So ist die Lage in Fukushima

Box aufklappen Box zuklappen
Luftaufnahme des AKW-Geländes von Fukushima.
Legende: Reuters

Im havarierten AKW von Fukushima sind die Aufräumarbeiten noch immer im Gange – und sie werden wohl noch Jahrzehnte dauern. Noch immer wird der ausgelaufene, geschmolzene Kernbrennstoff aus drei Reaktoren gekühlt. Über den Zustand im Innern der Druckbehälter weiss man nur wenig.

Auch die abgebrannten Brennstäbe über den Druckbehältern konnten noch nicht geborgen werden. Als Nächstes will Tepco das gefilterte Kühlwasser ins Meer ablassen, dann könnten auch die rund 1000 Wasserbehälter auf dem AKW-Gelände abgebaut werden.

So geht es weiter: «Natürlich können die vier Manager die umgerechnet 95 Milliarden Franken nicht bezahlen», sagt Martin Fritz, in Tokio lebender Journalist. Ihnen stehe wohl die Privatinsolvenz bevor. Den Klägern – Tepco-Aktionäre – sei es auch nicht ums Geld gegangen, sondern darum, dass die Manager zur Verantwortung gezogen werden – was nun geschehen sei. Die Verurteilten haben noch die Möglichkeit, das Urteil weiterzuziehen.

Das Gericht sendet die Botschaft an die japanischen Manager aus: Handelt verantwortungsbewusst!
Autor: Martin Fritz In Tokio lebender Journalist

Das ist die Wirkung des Urteils: «Die gewaltige Entschädigungssumme aus dem Urteil dient im Grunde der Abschreckung», sagt Journalist Fritz. Die japanischen Manager sollten dadurch daran erinnert werden, dass sie eine langfristige Verantwortung für das Unternehmen hätten. «Mit der extrem hohen Summe sendet das Gericht die Botschaft an die Manager aus: Handelt verantwortungsbewusst!».

SRF 4 News, 14.07.2022, 06:45 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel