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US-Aussenpolitik Bidens Rückzugsagenda spaltet Sicherheitsexperten

Biden löst ein Versprechen ein. Etablierte US-Denkfabriken warnen vor Machtvakuum und Chaos, während rechts applaudiert.

Der Rückzug aus Afghanistan habe manche überrascht, sagt Natasha Hall vom einflussreichen Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington. Nun bahnten sich bereits Probleme an. Die Taliban würden stärker und das sei für die Region zutiefst beunruhigend. Es schade letztlich auch US-Sicherheitsinteressen, ganz abgesehen von den humanitären Kosten.

In Irak gehe die US-Regierung vorsichtiger vor, stellt die Sicherheitsexpertin fest. Die Aufgaben würden neu definiert, aber die Truppenstärke verändere sich nicht.

Humanitäres Chaos befürchtet

Trotzdem drohten die USA in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen, so Hall: Das zeige das Beispiel in Syrien, wo das US-Militär zwar noch weniger habe, aber Russland inzwischen den Ton angebe.

Sie befürchte, dass gegnerische Mächte ins Vakuum springen und ein humanitäres Chaos anrichten, sagt die CSIS-Mitarbeiterin und vertritt damit eine in Washington weitverbreitete Weltsicht.

Cato Institute: «Biden auf der richtigen Spur»

Vom «sicherheitspolitischen Teig» spricht Doug Bandow vom libertären Cato Institute: Der Teig stehe an sich für US-amerikanische Dominanz über die ganze Welt, sagt der Publizist für konservative Blätter.

Präsident Joe Biden befinde sich hingegen auf der richtigen Spur, so Bandow. Es sei höchste Zeit, die Truppen nach Hause zu holen. Während 20 Jahren hätten es die USA nicht geschafft, in Afghanistan eine stabile Regierung aufzubauen. Die US-Öffentlichkeit habe den Krieg satt und die USA hätten andere Probleme. Sie seien unter anderem hoch verschuldet.

Dank der boomenden einheimischen Öl- und Gasproduktion gebe es im Nahen Osten für die USA keine vitalen Interessen mehr zu verteidigen. Bandow plädiert dafür, die US-Truppenpräsenz in der ganzen Golfregion zu verkleinern.

Positive Dynamik?

Der Rückzug der USA könne sogar eine positive Dynamik auslösen, ist Bandow überzeugt. Zum Beispiel würden nun Iran und Saudi-Arabien direkte Gespräche miteinander führen und Israel habe die Beziehung zu gewissen Golfstaaten normalisiert.

Und wenn Russland und China unbedingt ins Machtvakuum springen wollten, dann sollten sie das doch tun, sagt Bandow mit einem Schuss Ironie: «Wenn China die Probleme von Irak lösen will, dann bitte.» Dasselbe gelte für Russland in Syrien. Das seien tragisch gescheiterte Staaten abseits der Interessen der USA.

CSIS: Weitergehender Abzug unrealistisch

Etwas gar simpel findet diese Aussagen die CSIS-Sicherheitsexpertin Hall: Die Region bleibe geopolitisch bedeutsam. 60 Prozent des gehandelten Rohöls kämen immer noch aus dem Nahen Osten. Die Strasse von Hormus oder der Suezkanal seien weiterhin neuralgische Transportwege, und Konflikte dort könnten die Preisstabilität bewegen.

Ein weitergehender Abzug der USA aus dem Nahen Osten sei derzeit deshalb unrealistisch, sagt Hall. Auch wenn es innerhalb der Biden-Regierung durchaus Stimmen gebe, die dazu drängten. Sie hoffe aber, dass die Regierung die Nuancen verstehe.

Biden löst Versprechen ein

Die USA bleiben in der Nahost-Region präsent, mit der Luftwaffe, der Navy und Spezialeinheiten. Aber Demokrat Joe Biden tut, was drei US-Präsidenten vor ihm bloss versprochen hatten: Er beendet den langen Einsatz in Afghanistan und zieht in Irak die US-Truppen von der Kampffront ab.

Er erfüllt damit den Wunsch der US-Öffentlichkeit, und der Applaus in Washington kommt von rechtslibertären Kreisen – nicht aus den etablierten sicherheitspolitischen Denkfabriken.

Echo der Zeit, 06.08.2021, 18 Uhr

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