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US-Bürger ohne Wahlrecht Ex-Häftlinge kämpfen für ihre politische Stimme

Eine halbe Million Texaner darf bei den Zwischenwahlen nicht zur Urne gehen. Eine Gruppe von Aktivisten will das ändern.

Die Gruppe von Ex-Häftlingen trifft sich in einer ungewohnten Umgebung – im Fernsehstudio des «Public Access TV» von San Antonio. In ein paar Minuten beginnt die Show «World Peace». Steve Huerta erklärt, warum sie hier sind: «Die Sendung ist enorm wichtig für uns Betroffene, weil wir damit unsere Gemeinschaft aufwecken und dazu auffordern, die politische Landschaft zu verändern.» Jeanette, Victor und Martha nehmen in einer Talk-Runde Platz.

Martha ist nicht nervös, Victor schon. Der Countdown läuft, und los geht die Sendung. Victor will das Stigma der Ex-Häftlinge in der Gesellschaft beseitigen, wie er sagt. Martha sagt, man müsse Kandidaten wählen, die Ex-Häftlingen eine faire Chance im Leben gewähren. Und Jeanette findet politische Ignoranz ganz generell gefährlich, besonders in diesen Zeiten.

Victor, Jeanette und Martha
Legende: Victor, Jeanette und Martha wurden in eine Talkshow eingeladen. Sie gehören zu einer Gruppe von Aktivisten in San Antonio, die das in Texas geltende System ändern wollen. Auch in anderen Gliedstaaten kämpfen Ex-Häftlinge darum, dass sie politisch stärker wahrgenommen werden. SRF/Isabelle Jacobi

In Texas können Straftäter nach Ende des Strafvollzugs und der Bewährungsfrist wieder wählen gehen. Aber sie müssen selber aktiv werden und eine Wiederherstellung ihres Wahlrechts beantragen. Das tun viele nicht. Organisationen wie «All of us or none» versuchen, die Wahlbeteiligung von Ex-Häftlingen zu erhöhen. Sie kämpfen für weniger strenge Wahlgesetze.

Grosse Unterschiede je nach Bundesstaat

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Die Gliedstaaten der USA handhaben das Wahl- und Stimmrecht von Straftätern unterschiedlich. In Maine und Vermont gibt es keine Einschränkung. In 13 Bundesstaaten wird ihnen das Wahlrecht für immer entzogen. 25 Staaten machen es wie Texas mit einer zeitweisen Entmündigung während des Strafvollzugs.

In Texas bemüht sich Steve Huerta seit 20 Jahren um die Rechte von Ex-Häftlingen. Er spricht von einer klaren Diskriminierung. Die Justiz bringe alle zum Schweigen, die mit dem Gesetz in Konflikt gerieten: «Es ist ein gezielter Angriff auf unsere Gemeinschaften. Die Steuerzahler statten Polizisten aus, um in unseren Quartieren zu patrouillieren und die Leute zu verhaften. Das hat nichts mit öffentlicher Sicherheit zu tun.»

Es sei vielmehr eine Frage der Kontrolle. «Kriminalität ist mehr als etwas, das Kriminelle tun. Es ist das Resultat einer bewussten Vernachlässigung», fährt Huerta fort. «Die Regierenden weigern sich, uns die Ressourcen zu geben, damit wir nicht untergehen.» In San Antonio gebe es Stadtteile, in denen Zehntausende bereits einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind.

Steve Huerta
Legende: Allein im Bundesstaat Texas dürfen 500'000 Menschen nicht an den Zwischenwahlen im November teilnehmen, weil sie eine Gefängnisstrafe absitzen mussten. Steve Huerta wehrt sich dagegen: «Wir sind die Stimmen unserer Familien: Wir wollen wählen, wer uns regiert!» SRF/Isabelle Jacobi

«80 Prozent haben keinen Schulabschluss und keine Arbeit. Wir können das ändern, wenn wir die Regierungsmacht mitbestimmen. Wenn wir Ex-Häftlinge wählen gehen, dann können wir führende Köpfe auswechseln, und zwar auf allen Ebenen der US-Politik», so Huerta kämpferisch. 98'000 Ex-Häftlinge habe er dazu gebracht, sich neu als Wähler zu registrieren. Dieses Jahr will er zusätzliche 25'000 Ex-Häftlinge dazu motivieren, an die Urne zu gehen.

Tatsächlich könnten Ex-Häftlinge in Texas – einem Staat mit einer sehr tiefen Wahlbeteiligung – durchaus Einfluss auf Wahlresultate haben. Bloss: Wen würden sie wählen? Er sei selber Demokrat, sagt Huerta – wie die meisten der Ex-Häftlinge, die wählen gehen. Auch wenn es durchaus auch Republikaner unter ihnen gebe, fügt er an. Eine Studie schätzt, dass rund 75 Prozent der Stimmen von Ex-Häftlingen an demokratische Kandidaten gehen würde, auch weil sie oft Minderheiten angehören, die tendenziell demokratisch wählen.

Ex-Häftling Tony Accosta
Legende: Sechs Millionen US-Bürgerinnen und Bürger haben kein Stimm- und Wahlrecht. Es wurde ihnen temporär oder für immer entzogen. Einer von ihnen ist Ex-Häftling Tony Accosta. SRF/Isabelle Jacobi

So erstaunt es nicht, dass entsprechende Reformen vor allem in demokratisch regierten Gliedstaaten populär sind. Virginia gab vor zwei Jahren 150'000 Ex-Häftlingen ihr Stimm- und Wahlrecht zurück, und in New York können dieses Jahr 35'000 Delinquenten auf Bewährung neu an die Urne gehen.

Auch in Florida kommt im November eine Vorlage zur Abstimmung, die 1,5 Millionen Ex-Häftlingen das Wahlrecht zurückgeben würde. Sie hat in dem konservativen Staat jedoch wenig Chancen. Die Aktivisten im TV-Studio in San Antonio haben derweil eine klare Vorstellung ihrer Mission: «Der Wandel muss zuerst in Texas geschehen, dann national.» Das Ziel sei, die USA zu einem besseren Land, einem «great country» zu machen, sagt die Patriotin Martha.

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