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US-Gerichtsentscheid Supreme Court kippt liberales Abtreibungsrecht

  • Der Oberste Gerichtshof der USA hat mit einer wegweisenden Entscheidung das liberale Abtreibungsrecht des Landes gekippt.
  • Der mehrheitlich konservativ besetzte Supreme Court in Washington machte damit den Weg für strengere Abtreibungsgesetze frei – bis hin zu kompletten Verboten in einzelnen US-Staaten.
  • Damit ist das aktuelle Recht auf Abtreibung in den Vereinigten Staaten nach fast einem halben Jahrhundert Geschichte.
  • US-Präsident Joe Biden nannte das Urteil in einer ersten Reaktion «einen tragischen Fehler».

«Die Verfassung gewährt kein Recht auf Abtreibung», heisst es in der Urteilsbegründung. Die liberalen Richter übten scharfe Kritik am Urteil der konservativen Mehrheit. Es «hat zur Folge, dass eine Frau vom Moment der Befruchtung an keine nennenswerten Rechte mehr hat», schreiben Stephen Breyer, Sonia Sotomayor und Elena Kagan in einer gemeinsam verfassten abweichende Meinung. «Der Staat kann sie zwingen, eine Schwangerschaft zu Ende zu bringen, selbst wenn dies mit hohen persönlichen und familiären Kosten verbunden ist.»

Weitgehende Einschränkungen zu erwarten

In etwa der Hälfte der Bundesstaaten dürfte es nun zu weitgehenden Einschränkungen kommen. Es gibt in den USA kein landesweites Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche erlaubt oder verbietet.

Staaten machen Weg frei für Abtreibungsverbote

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Eine Reihe konservativer US-Bundesstaaten hat bereits weitgehende Abtreibungsverbote angekündigt oder umgesetzt. Die Gouverneurin des US-Bundesstaates Alabama , Kay Ivey, erklärte, ein Gesetz aus dem Jahr 2019, das von einem Gericht bisher blockiert wurde, solle nun in Kraft treten können. «Im Jahr 2019 war ich stolz darauf, das Gesetz zum Schutz des menschlichen Lebens in Alabama zu unterzeichnen, das eines der schärfsten Abtreibungsverbote des Landes darstellt», so Ivey. Das Gesetz verbietet so gut wie alle Abtreibungen. Ärztinnen und Ärzten, die eine Abtreibung durchführen, droht eine lebenslange Haftstrafe.

Der republikanische Generalstaatsanwalt von Oklahoma , John O'Connor, lobte das Urteil des Supreme Court. Er ermögliche nun, dass ein bereits bestehendes Gesetz, welches Abtreibungen weitgehend verbietet und kriminalisiert, auch in Kraft treten könne.

Ähnlich äusserte sich der Generalstaatsanwalt des Bundesstaats Missouri , Eric Schmitt. Auch in Missouri gibt es bereits ein solches Gesetz, das wegen der bisherigen Bundesrechtsprechung nicht in Kraft treten konnte.

Abtreibungen sind aber mindestens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt – heute etwa bis zur 24. Woche. Dies stellte bisher ein Urteil des obersten US-Gerichts von 1973 sicher, das als «Roe v. Wade» bekannt ist. Ein weiteres Urteil von 1992, «Planned Parenthood v. Casey», bestärkte die Rechtsprechung und passte sie etwas an. Der Supreme Court hat diese Entscheidungen nun gekippt.

Kritik von demokratischer Seite

US-Präsident Joe Biden hat die historische Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegen das liberale Abtreibungsrecht als «tragischen Fehler» bezeichnet. «Es ist meiner Ansicht nach die Verwirklichung einer extremen Ideologie und ein tragischer Fehler des Obersten Gerichtshofs», sagte Biden in Washington. «Dies ist ein trauriger Tag», fuhr der US-Präsident in einer Ansprache kurz nach der Urteilsverkündung des Obersten Gerichtshofes fort, «traurig für das Land und für den Obersten Gerichtshof.» Das Gericht habe den US-Bürgern Rechte entzogen.

Biden kündigte an, ein Gesetz in den Kongress einzubringen, das die Supreme-Court-Entscheidung aushebeln soll. Doch dort haben die Demokraten derzeit nur eine knappe Mehrheit.

Pelosi: «Schlag ins Gesicht für Frauen»

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Pelosi hebt die Hand
Legende: Nancy Pelosi hat den Entscheid des Obersten Gerichtshofes heftig kritisiert. Keystone

Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hat die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gegen das liberale Abtreibungsrecht mit scharfen Worten verurteilt. «Es ist ein Schlag ins Gesicht für Frauen», sagte die Demokratin. Die Beschränkung von Abtreibung sei erst der Anfang, warnte sie. «Das ist todernst.» Pelosi verwies auf die Kongresswahlen im November – dort stehe das Recht der Frauen, über ihren eigenen Körper zu entscheiden, auf dem Wahlzettel.

Auch der ehemalige US-Präsident Barack Obama teilt Bidens Einschätzung und rief zum Widerstand auf. «Heute hat der Oberste Gerichtshof nicht nur fast 50 Jahre Präzedenzfälle rückgängig gemacht, er hat die persönlichste Entscheidung, die jemand treffen kann, den Launen von Politikern und Ideologen überlassen – und die grundlegenden Freiheiten von Millionen von Amerikanern angegriffen», schrieb Obama auf Twitter.

Ex-Präsident Donald Trump lobte hingegen die Entscheidung als «Gewinn für das Leben». Die Entscheidung sei nur möglich gewesen, weil er drei konservative Richter an das Oberste Gericht berufen habe. «Es war mir eine grosse Ehre, das zu tun», so Trump. Trotz der «radikalen Linken» bestehe noch Hoffnung, das Land zu retten.

Unversöhnliche Gegner

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Das Abtreibungsrecht ist in den USA immer wieder Thema heftiger Auseinandersetzungen. Gegner versuchen, die liberalen Regeln seit Jahrzehnten zu kippen. Seit anderthalb Jahren haben die Konservativen eine solide Mehrheit im Supreme Court – sechs von neun Richterinnen und Richter wurden von republikanischen Präsidenten ernannt.

Ex-Präsident Trump ernannte während seiner Amtszeit die Richter Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett. Die Richterinnen Sonia Sotomayor und Elena Kagan sowie Richter Stephen Breyer stimmten gegen die Entscheidung. Sie gelten als liberal.

Eine Reihe liberaler US-Bundesstaaten hat angekündigt, das Recht auf Abtreibungen trotz der Entscheidung schützen zu wollen. Die Gouverneurinnen und Gouverneure unter anderem aus Kalifornien, Oregon, Washington, Massachusetts, New Jersey und New York bekannten sich zu ihrer liberalen Haltung bezüglich Schwangerschaftsabbrüchen. «Wir werden immer ein sicherer Hafen für jeden im ganzen Land sein, der eine Abtreibungsbehandlung benötigt. Sie haben mein Wort», so die New Yorker Gouverneurin Kathy Hochul.

SRF 4 News, 24.06.2022, 17 Uhr ; 

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