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Zu sehen der US-Aussenminister Mattis und Südkoreas Präsident Hwang Kyo-ahn.
Legende: US-Verteidigungsminister James Mattis auf Besuch bei Südkoreas Präsident Hwang Kyo-ahn. Reuters

US-Politik im Pazifikraum Ein Besuch mit hoher Symbolkraft

US-Verteidigungsminister James Mattis besucht noch vor dem Bündnispartner Europa den Pazifik-Raum. Warum ist die Truppenpräsenz für die USA im Pazifik wichtig? Der diplomatische Korrespondent Fredy Gsteiger gibt Antworten.

«SRF News»: Trump fordert mehr Geld für den Schutz, welche die US-Truppenpräsenz im Pazifikraum leiste. Das sagte er im Wahlkampf. Ist dies berechtigt? Welche Ziele verfolgt Trump?

Fredy Gsteiger: Richtig ist, dass die USA ihre Alliierten in Sachen Verteidigung seit Jahrzehnten massiv unterstützen. Das gilt sowohl für ihre Bündnispartner in Europa, die Nato-Länder, als auch für ihre zwei wichtigsten Verbündeten in Ostasien, Japan und Südkorea.

Japan, das nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine pazifistische Verfassung bekam, gibt nur etwa ein Prozent des Bruttosozialproduktes für seine Verteidigung aus. Für seine Sicherheit sorgen also zu einem guten Teil die Amerikaner, die in Japan und in Südkorea jeweils zehntausende von Soldaten stationiert haben.

Trump verunsichert, ja verängstigt die Alliierten der USA.
Autor: Fredy Gsteiger Diplomatischer Korrespondent SRF

Fredy Gsteiger

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Portrait von Fredy Gsteiger

Der diplomatische Korrespondent ist stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St.Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» und Chefredaktor der «Weltwoche».

Die Forderung aus Washington, die beiden Länder sollten selber mehr beitragen, ist also nicht unberechtigt. Problematisch ist, dass Donald Trump sie mit der Drohung verbindet, die US-Unterstützung zurückzufahren oder gar ganz zu stoppen. Das verunsichert, ja verängstigt die Alliierten der USA.

Es ist zugleich ein Signal der Schwäche an die Adresse Nordkoreas und Chinas. Und es könnte dazu führen, dass sich Japan und allenfalls auch Südkorea eigene Atombomben zulegen – was zu einer weiteren Destabilisierung des zurzeit ohnehin konfliktreichen Nordostasiens führen würde.

Was haben die USA von ihrer Truppenpräsenz im Pazifik? Besteht eine Strategie?

Die US-Truppenpräsenz ist zum einen historisch bedingt, zum andern symbolisiert sie den Weltmachtanspruch der Vereinigten Staaten. In Japan wollen die USA dafür sorgen, dass nie wieder – wie damals im Zweiten Weltkrieg – ein aggressives Militärregime an die Macht kommt. Um solche Tendenzen gar nicht erst aufkommen zu lassen, übernahm Washington die Verantwortung, selber massiv zur Sicherheit Japans beizutragen.

In Südkorea erklärt sich die US-Präsenz aus dem Koreakrieg und aus der Bedrohung Südkoreas durch das diktatorisch regierte und neuerdings gar mit Atombomben bestückte Nordkorea.

Und generell sehen sich die USA nicht nur als eine atlantische, sondern auch als eine pazifische Macht. Den atlantischen Raum dominieren sie als Seniorpartner im Nordatlantikpakt Nato, den pazifischen Raum mit ihren Allianzen mit Japan, Südkorea, aber auch mit Taiwan oder Australien. Im Pazifik macht allerdings China den USA die Vormachtrolle neuerdings streitig. Es will den Status Quo nicht länger akzeptieren.

Äusserungen von Präsident Trump, mit denen er die US-Verteidigungspartnerschaften infrage stellt, könnten aber jegliches Vertrauen rasch und möglicherweise nachhaltig erschüttern.
Autor: Fredy Gsteiger Diplomatischer Korrespondent SRF

Wird Verteidigungsminister James Mattis mit seiner Pazifik-Reise die Wogen glätten können? Trump ist ja unberechenbar.

Zumindest sendet Pentagon-Chef Mattis ein deutliches Signal in diese Richtung aus. Dass er noch vor einem Besuch bei den US-Truppen in Afghanistan oder im Irak und ebenfalls vor einem Antrittsbesuch beim traditionell wichtigsten Bündnispartner Europa jetzt zuerst nach Japan und Südkorea reist, ist ganz klar als vertrauensbildende Massnahme gedacht. Dazu gehört auch die Bekräftigung, in Südkorea das hochentwickelte Raketenabwehrsystem Thaad zu stationieren – möglicherweise schon dieses Jahr.

Mit Thaad wird für China die militärische Balance in Nordostasien gestört.
Autor: Fredy Gsteiger Diplomatischer Korrespondent SRF

Verteidigungsminister Mattis ist als Person für die Regierungen in Tokio und Seoul sicher glaubwürdig. Er vertritt die traditionelle amerikanische Allianzpolitik. Neue Äusserungen von Präsident Trump, mit denen er die US-Verteidigungspartnerschaften infrage stellt, könnten aber jegliches Vertrauen rasch und möglicherweise nachhaltig erschüttern.

Die USA und Südkorea planen, wie bereits erwähnt, das neue US-Raketenabwehrsystem Thaad zu stationieren. Wird es das Machtgefüge und Gleichgewicht im Pazifik verändern?

Die USA sagen Nein, China sagt Ja. Laut amerikanischer und südkoreanischer Lesart richtet sich das Raketenabwehrsystem Thaad gegen eine Bedrohung aus Nordkorea. Eine solche gibt es – und sie nimmt zu. Das Regime in Pjöngjang besitzt mittlerweile rund zehn Atombomben und macht markante Fortschritte in der Raketentechnik. Es könnte also seine Bomben bald auch gezielt einsetzen.

Aus Pekinger Sicht stärkt aber Thaad zugleich Südkorea, Japan und die USA gegenüber China. Denn das neue Abfangsystem könnte auch chinesische Raketen abfangen und damit im Falle eines Krieges eine chinesische Offensive parieren. Damit wird für China die militärische Balance in Nordostasien gestört. Sicher ist, dass Peking die Thaad-Stationierung als weiteren Anlass nehmen wird, in grossem Umfang aufzurüsten.

Noch ein Wort zur Nato: Donald Trump nannte die Nato abfällig als obsolet. Nun versicherte Trump im Gespräch mit Theresa May, dass er zur Nato zu 100 Prozent stehe. Was gilt nun? Mattis gilt ja als glühender Verehrer der Nato. Gleichzeitig vertritt Trump eine weichere Linie zu Russland.

Was gilt, weiss zurzeit schlicht niemand. Vermutlich sogar Trump selber nicht. Seine bisherigen Aussagen sind enorm widersprüchlich. Eine politisch-strategische Linie ist nicht zu erkennen. Möglicherweise schafft in vierzehn Tagen das Nato-Verteidigungsministertreffen etwas Klarheit, an dem der neue Pentagon-Chef James Mattis erstmals teilnehmen wird. Oder anschliessend die Münchner Sicherheitskonferenz, wo sowohl hochrangige Vertreter der Trump-Regierung als auch einflussreiche Sicherheitspolitiker aus dem US-Parlament auftreten werden.

Was gilt, weiss zurzeit schlicht niemand.
Autor: Fredy Gsteiger Diplomatischer Korrespondent SRF

Möglicherweise bieten aber beide Anlässe bloss eine Momentaufnahme, die schon kurz darauf nicht mehr gilt. Kein Wunder, dass Sicherheitspolitiker und hohe Militärs zurzeit höchst verunsichert sind – in Europa, in Asien und in den USA selber. Zupass kommt die von Washington verschuldete Verunsicherung gegen die Gegner des Westens, China, Russland oder Iran.

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