Kamala Harris selbst sieht sich nach dem Rencontre mit ihrem republikanischen Kontrahenten Donald Trump bei der ersten gemeinsamen TV-Debatte in der Nacht auf Mittwoch als Siegerin. «Heute war ein guter Tag.» Sie betont aber zugleich, dass das Präsidentschaftsrennen noch nicht gelaufen sei. Sie forderte Trump bereits zu einer zweiten Debatte heraus.
Leute im ganzen Land hätten eine Präsidentin für alle gesehen, beschrieb es Harris' Vize Tim Walz gegenüber dem Fernsehsender MSNBC.
Donald Trump, der laut einer CNN-Umfrage, die gleich im Anschluss an die Debatte durchgeführt wurde, schlechter abschnitt als Harris, steckte seinen Kopf aber nicht gleich in den Sand, im Gegenteil: «Diese Debatte war meine beste überhaupt.» Es sei «sehr interessant» gewesen, wie «schwach» und «jämmerlich» die Demokraten gewesen seien.
Auf «Plattitüden» hätte sie sich gestützt, wetterte Trumps Vizekandidat J. D. Vance gegen Harris. «Schauen Sie sich die Substanz dessen an, was sie sagte: Sie gab fast nichts anders als Slogans von sich.»
Auch der aktuelle demokratische US-Präsident Joe Biden meldete sich zu Wort: «Amerika hat heute Abend die Anführerin gesehen, an deren Seite ich seit dreieinhalb Jahren mit Stolz arbeite». Es sei nicht einmal knapp gewesen, fügte er an.
Unmittelbar nach der Debatte stellte sich nun auch US-Superstar Taylor Swift hinter Harris. Ihr wird ein grosser Einfluss bei jungen Leuten in den USA vorausgesagt. «Ich glaube, dass wir in diesem Land so viel mehr erreichen können, wenn wir von Ruhe und nicht von Chaos geleitet werden», schrieb die Sängerin auf Instagram.
Harris hatte etwas geschafft, was Biden nicht gelungen war [...]: Trump auf eine Art zu provozieren, die entblösste, dass er Lügen und wilde Fantasien verspritzt.
Ungeachtet dessen sieht die «NZZ» Kamala Harris als Siegerin. «Vom ersten Moment an machte Kamala Harris klar, dass sie in die Offensive geht.» Sie habe die Bühne betreten, Trump ihre Hand ausgestreckt und sich vorgestellt. Trump habe gar nicht anders gekonnt, als ihr – wortlos und überrascht – die Hand zu schütteln. «Kamala Harris verfolgte klar das Ziel, Donald Trump aus dem Gleichgewicht zu bringen, und nach 26 Minuten gelang es ihr», schrieb die Tageszeitung.
Eine US-Fernsehdebatte sei eine ruppige Kampfsportart. Es gewinne, wer den Gegner in die Defensive dränge. «In dieser Runde – das räumen sogar republikanische Kommentatoren ein – hat Kamala Harris klar nach Punkten gesiegt.»
Die «New York Times» würdigte Harris' Auftritt ebenfalls. Innerhalb von Minuten sei Trump von einer Diskussion über Zölle zu einer Beschreibung von Immigranten abgestiegen – wozu er den ganzen Abend über immer wieder zurückkehrte – was nur als eine Form selbstbezogener Hysterie beschrieben werden könne. «Den ganzen Abend über schaffte Harris immer wieder etwas zu tun, was Biden nicht gelungen war, als er sich um eine Wiederwahl bewarb: Trump auf eine Art zu provozieren, die entblösste, dass er Lügen und wilde Fantasien verspritzt.»
Die Debatte sei der Tageszeitung zufolge ein «uneingeschränkter Erfolg für Harris», nicht nur, weil sie in der Lage gewesen sei, sich selbst und ihre Pläne zu definieren, sondern auch, «weil sie es schaffte, ein paar Knöpfe bei Trump zu drücken und ihn dazu zu bringen, sein wahres Ich zu zeigen».
Der US-amerikanische Talkshow-Moderator und Comedian Jimmy Kimmel zieht ein Fazit, was wohl viele, die die Debatte in der Nacht mitverfolgt haben, mit ihm teilen dürften – in kreativer Anspielung auf den Disneyfilm «Alles steht Kopf»: «Schaut auch jemand auf Disney Plus?»