Bei einer republikanischen Wahlkampfveranstaltung kam es zu einem Attentat auf den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Hat die aggressive Rhetorik in der US-Politik die Tat beeinflusst? Worte von Politikerinnen und Politikern können tatsächlich zu Gewalt führen. Das sagt Curd Knüpfer, Experte für politische Kommunikation und Mediensysteme in Nordamerika an der Freien Universität Berlin.
Doch im aktuellen Fall müsse man vorsichtig sein mit solchen Aussagen. Klar ist, dass ein aufgeheiztes politisches Klima in den USA existiert. Aber die Tat eines Einzeltäters könne nicht monokausal auf den Umgangston in der US-Politik zurückgeführt werden. Es sei einerseits zu wenig bekannt über die Motive des Angreifers. Andererseits seien es verschiedene Faktoren, die zu so einer Tat führen oder die Gewalt vorhersagen lassen:
In den USA herrscht laut Knüpfer eine asymmetrische Polarisierung, die primär von der republikanischen Partei und deren medialen Unterstützern wie Fox News ausgeht. Donald Trump und seine Anhänger hätten sich von einem respektvollen politischen Diskurs entfernt.
Der Experte nennt Beispiele: Aufruf zu Gewalt, politische Gegner als Ungeziefer bezeichnen, Belustigung nach Angriff auf Mann von Nancy Pelosi. «Damit verlässt man eine rhetorische Ebene, die man in den 90er- und Nullerjahren noch gekannt hatte. Man hatte Respekt gegenüber der anderen Seite.»
Grundsätzlich könne man sagen: Die Art und Weise, wie sich Politikerinnen und Politiker öffentlich äussern, ist eines von mehreren Puzzleteilen, die schlussendlich zu politischer Gewalt führen können. In der Regel führt die Rhetorik jedoch eher zu Gewalt durch Gruppen als Einzelpersonen.
Einzelfall oder Symptom?
Curd Knüpfer sieht das Ereignis im Kontext eines grösseren Problems. Politisch motivierte Gewalttaten häufen sich, auch gegen demokratische Politiker und Politikerinnen, auch in Form von Drohungen und Hasskommentaren. «Es sind viele Faktoren am Werk.»
Der Politologe erwähnt auch Veränderungen im medialen Apparat, der politischen Landschaft und der republikanischen Partei: «Sie straft Trump nicht, lässt ihn durchkommen. Das ist ein diskursives Phänomen, das sich manifestiert.»
«Learning Effekt» als Lösungsansatz
Für eine Veränderung der politischen Rhetorik müssten politische Eliten Verantwortung übernehmen. Eine mögliche Lösung sieht der Politologe darin, dass Kandidaten, die sich radikaler Rhetorik bedienen, im Wahlkampf scheitern. Als Lerneffekt könnte eine aggressive Rhetorik nicht länger als gewinnbringend angesehen werden. Finanzielle Unterstützer der Parteien könnten eine gemässigte Rhetorik fördern.
Angesichts der bisherigen Entwicklungen ist Knüpfer pessimistisch: «Wir haben in den letzten Jahren eine Steigerung dieser Rhetorik und relativ wenig Fingerklopfen gesehen.»
Curd Knüpfer sieht aufgrund der bestehenden Trends wie Polarisierung und Entmenschlichung ein hohes Risiko für weitere politische Gewalttaten. «Es wäre naiv zu glauben, dass sich die Situation bald verbessern könnte.»