Nicht erst seit Donald Trumps kürzlich erfolgter Ankündigung, linke Gruppen verfolgen und zerstören zu wollen, ziehen Medien und Prominente in den USA den Vergleich zur McCarthy-Ära. Bereits im April 2025, als Trump dazu ansetzte, die akademische Unabhängigkeit der US-Universitäten zu beschneiden, zog die renommierte US-Historikerin Ellen Schrecker den Vergleich zu dieser Zeit.
Schrecker sagte, Trumps Vorgehen gegen die Universitäten sei «schlimmer als zur Zeit der McCarthy-Ära.» Sie begründet ihre Einschätzung damit, dass damals einzelne Professoren und ihre ausseruniversitären Aktivitäten attackiert worden seien; heute treffe die Repression alles, was an US-Universitäten geschehe.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in den USA Jagd auf Kommunisten und vermeintliche Kommunisten gemacht, etwa von 1947 bis 1955. Diese Zeit wird deshalb McCarthy-Ära genannt, weil es der republikanische Senator Joseph McCarthy war, der Untersuchungen gegen unamerikanische Umtriebe führte. Die McCarthy-Ära wird heute rückblickend als Zeit der Zensur bezeichnet, als eine Zeit des Verschwörungsdenkens und der «Inquisition in Hollywood», wie eine zeithistorische Analyse heisst.
Nicht nur Kommunisten
Auch der deutsche Geschichtsprofessor Olaf Stieglitz hat sich intensiv mit der McCarthy-Ära befasst. Für ihn sind bei der Gegenüberstellung der McCarthy-Ära mit heute vor allem zwei Aspekte wichtig: «Erstens wird ein Vergleich gezogen, der durchaus seine Plausibilität hat und zweitens wird damit etwas aufgerufen, was in der politischen Rhetorik der USA als Begriff verankert ist.» Wenn von McCarthy die Rede sei, weiss man, was gemeint sei – unabhängig davon, ob das in allen Bereichen stimme.
Eine Parallele zu damals sieht der Historiker in der Rhetorik, die unter Trump zum Tragen kommt: «Es geht um diese Vorwürfe ohne Verifizierung, um die Verleumdungen, um das Denunziatorische.» Als Beispiele nennt er Trumps Unterstellung, dass die demokratische Partei linksradikal sei oder dass die Antifa eine terroristische Organisation sei. «Dies sind Vorwürfe, die über das Ziel hinausschiessen. Wenn man sie aber permanent wiederholt, verfestigen sie sich. Das erinnert sehr an die rhetorischen Strategien der McCarthy-Ära.»
Im Unterschied zu damals aber sei die Bevölkerung der USA an einem anderen Punkt. «Während des Zweiten Weltkriegs wurde ihr jahrelang eingeschärft, in Freund-Feind-Mustern zu denken. Die Rhetorik konnte nach dem Krieg dort relativ nahtlos anschliessen.» So sei die US-Gesellschaft heute sicherlich nicht.
Ein Schlagwort für alle
Bemerkenswert ist, dass der Vorwurf des Rückgriffs auf die McCarthy-Rhetorik sich in den USA vor nicht allzu langer Zeit gegen die Regierung Biden richtete. Ihr wurde vorgeworfen, die sozialen Medien würden zensuriert und es herrsche eine Cancel-Culture. Deshalb hält der Historiker auch fest, dass dieser Vergleich ein politisches Schlagwort geworden sei: «Diese Vokabel ist gängig, alle verbinden etwas damit. Sie ist inzwischen so omnipräsent, dass sie von jeder Seite angewandt werden kann.»
Stieglitz unterscheidet aber klar: «Das, was unter Biden passiert ist, sehe ich innerhalb der rauen, aber gängigen Spielregeln eines demokratischen Umgangs. Auf diesem Spielfeld wird im Moment nicht mehr gespielt.» Für Stieglitz ist klar: Der Ton in den USA werde nicht nur rauer, sondern undemokratischer.