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Gefahr des Autoritarismus Wie steht es nach einem halben Jahr Trump um die US-Demokratie?

Ein Zollstreit mit fast der ganzen Welt, Truppen in US-Grossstädten, massive Kürzungen bei Wissenschaft und Forschung: Donald Trump scheint die USA in rapidem Tempo umzuwälzen – und weckt damit grosse Sorgen. Die aktuellen Konflikte stünden zwar in einer geschichtlichen Kontinuität, seien aber dennoch besorgniserregend, erklärt der USA-Experte.

Thomas Zimmer

Historiker

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Der Deutsche studierte zunächst an der Cambridge University, wo er einen Abschluss in Philosophie erhielt. Anschliessend promovierte und arbeitete er an der Universität Freiburg i.Br. Von 2021 bis 2025 war er an der renommierten Georgetown University in Washington D.C. tätig, wo er unter zur Geschichte der US-amerikanischen Demokratie forschte und lehrte. Seit kurzem ist er zurück in Deutschland und als selbständiger Analyst tätig.

SRF News: Wie steht es um die US-Demokratie?

Thomas Zimmer: Schlecht. Im Moment muss man sagen, dass die USA gar nicht mehr als liberale Demokratie gelten können. Es ist eine autoritäre Bewegung an die Macht gekommen, die nicht nur einen Politikwechsel erzwingen, sondern grundsätzlich die politische und gesellschaftliche Ordnung umwälzen will.

Sie ist dabei schon so weit gekommen, dass wir nicht mehr von einer funktionierenden Demokratie sprechen können. Wir haben es jetzt mit so einer Art Mischsystem zu tun – irgendwo zwischen Demokratie und autoritärer Herrschaft.

An welchen Beispielen machen Sie diesen Wandel fest?

Vier Punkte sind da wichtig. Erstens bündelt die Regierung alle Macht bei sich und schaltet gezielt die Machtkontrolle durch Kongress, Gerichte oder unabhängige Verwaltung aus – etwa indem sie die Befugnisse des Kongresses missachtet oder sich immer offener über Gerichtsbeschlüsse hinwegsetzt und indem sie eine Säuberung der Beamtenschaft nach ideologischen Kriterien vorantreibt.

Zweitens geht die Regierung aggressiv gegen Widerstände in der Zivilgesellschaft vor. Sie eskaliert etwa den Kampf gegen Universitäten und setzt das Justizministerium gegen regierungskritische Stimmen ein. Denen wird gedroht mit Ermittlungen aller Art.

Person mit US-Flagge vor rauchendem Hintergrund auf Strasse.
Legende: Im Juni schickte Donald Trump die Nationalgarde nach Los Angeles, nachdem es dort zu teils gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstrierenden gekommen war. Anlass der Proteste waren Kontrollen der Migrationsbehörde ICE. KEYSTONE/Jeff Gritchen/The Orange County Register via AP

Drittens schränkt die Regierung die Grundrechte für Gruppen ein, die sie als unliebsam erklärt hat. Sie weigert sich beispielsweise, zentrale Bürgerrechtsbestimmungen aus den 1960er-Jahren umzusetzen, die die Diskriminierung nach Hautfarbe oder Geschlecht verhindern sollen.

Und viertens geht die Trump-Regierung mittlerweile auch gewaltsam gegen alle vor, die nach ihren Vorstellungen gar nicht das Recht haben sollten, in Amerika dazuzugehören.

Der historische Hintergrund der modernen Polarisierung

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Das Land erlebe derzeit eine zugespitzte Form eines sehr alten Konflikts, erklärt Thomas Zimmer. «Die USA waren von Beginn an gespalten: Was soll denn dieses Amerika eigentlich sein? Wer soll denn da dazugehören dürfen?»

In diesen Fragen stünden sich seit jeher zwei gegenseitig ausschliessende Entwürfe gegenüber: Der eine baue auf einem Gleichheitsversprechen auf, wonach alle Menschen gleich sind. «Wenn man das ernst nähme, liefe das auf eine egalitäre Demokratie hinaus.»

Auf der anderen Seite stünden aber all diejenigen, die Amerika als etwas ganz anderes sähen: nämlich eine rein weisse, christliche Nation. «Hier sollen bestimmte Gruppen das Recht haben dürfen, zu herrschen. Das wäre in der Konsequenz eine Gesellschaft mit klaren Hierarchien von Rasse, Geschlecht, Religion und Besitz.»

Spielt das System der Checks and Balances derzeit noch?

Nein. Das grösste Problem ist, dass der Kongress überhaupt keine Anstalten macht, die Regierung zu kontrollieren. Es bleiben die Gerichte. Und die versuchen ja in der Tat, sich diesem autoritären Angriff auf das System entgegenzustellen. Mittlerweile gibt es über 150 Gerichtsbeschlüsse, in denen die Gerichte versuchen, die Regierung in die Schranken zu weisen.

Das Land fällt im Moment auseinander.

Das Problem ist nur, dass über den Bundesgerichten noch der Oberste Gerichtshof thront. Und dort gibt es eine hart rechte Mehrheit, die in fast allen Fällen für Trump entscheidet.

Wie steht es denn um die Akzeptanz demokratischer Prinzipien in der Bevölkerung?

Der Konflikt zwischen beiden Seiten der US-Gesellschaft geht weit über Parteien und Politik im engeren Sinne hinaus. Er bestimmt immer mehr die Lebenswirklichkeiten, die sich ganz rapide auseinander entwickeln, je nachdem, ob man in einem republikanisch oder einem demokratisch geführten Staat lebt. Wir haben es eigentlich mit zwei Amerikas zu tun. Und das Land, das muss man leider so sagen, fällt im Moment auseinander.

Wie unumkehrbar ist dieser Prozess?

Sie sind nicht unumkehrbar. Nur: Die Bandbreite der realistischen Optionen, wie es weitergeht mit Amerika, ist sehr breit. Das kann von einer Wiederherstellung einer funktionierenden liberalen Demokratie bis hin zu einer zutiefst autoritären Ordnung reichen.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Echo der Zeit, 23.07.25, 18 Uhr ; 

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