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«War On Drugs» Begehen die USA Kriegsverbrechen auf See?

Die USA sollen zwei angebliche Drogenschmuggler gezielt getötet haben. Das soll ein geheimes Video beweisen. Der Inhalt gilt als verstörend, sagen Stimmen im Weissen Haus. Gibt es für die US-Angriffe vor Venezuela eine rechtliche Grundlage? Das haben wir die Völkerrechtlerin Anne Peters gefragt.

Anne Peters

Expertin für internationales Völkerrecht

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Anne Peters ist spezialisiert auf Völkerrecht. Sie forscht und lehrt unter anderem an der Uni Basel und ist Direktorin am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht.

SRF News: Ist es rechtlich korrekt, diese Boote anzugreifen?  
 
Anne Peters: Nein, das verletzt Völkerrecht und Menschenrechte. 

Es ist wohl auch nicht legal, mit einem Boot voller Drogen übers Meer zu fahren. Ist das keine Legitimation für diese Schläge?  
 
Nein. Drogenschmuggel ist zwar ein Verbrechen, was auch international anerkannt ist. Die Staaten sind auch verpflichtet, hier polizeilich zusammenzuarbeiten. Aber die Situation ist kein bewaffneter Angriff, das ist rechtlich eine Voraussetzung dafür, dass ein Staat militärisch reagieren darf. Das ist bewusst so geregelt, weil hier ein wahnsinniges Eskalationspotenzial liegt. 

Darum ist die Definition «Krieg» im Sinne der USA 

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Es gebe zwei Arten von internationalen bewaffneten Konflikten, sagt Völkerrechtlerin Anne Peters: den Konflikt zwischen Staaten und den Konflikt zwischen einem Staat und Aufständischen oder Terrorgruppen.  

«Aktuell haben wir keinen internationalen bewaffneten Konflikt zwischen den USA und Venezuela, denn der Staat Venezuela will ja die Drogenbarone auch bekämpfen», erklärt Anne Peters. Die Handlungen der Kriminellen und Drogenbarone könnten nicht Venezuela zugerechnet werden – dazu müsste Venezuela diese Banden irgendwie kontrollieren, wenn auch nur lose.» Das sei aber nicht der Fall.  

Es sei im Interesse der USA, die Situation als Krieg zu deklarieren: «Ganz allgemein gesagt gilt Töten im Krieg viel eher als rechtmässig, als in Friedenszeiten.» Deswegen hätten die USA schon früher den weltweiten Krieg gegen den Terror ausgerufen oder jetzt den Krieg gegen Drogen, weil das dann grundsätzlich das Töten leichter mache. «Aber selbst im Krieg ist nicht alles erlaubt. Und diese gezielten Tötungen jetzt sind auch nach dem Recht des bewaffneten Konflikts, nach dem Kriegsrecht, problematisch.»

Es gibt ja durchaus Überlegungen, in Venezuela einzumarschieren. Wenn es wirklich zum bewaffneten Konflikt zwischen den zwei Staaten kommt, was ist dann anders?  

Im bewaffneten Konflikt ist die Tötung von Kombattanten, also von Kriegführenden, grundsätzlich rechtmässig, aber nicht die Tötung von Zivilisten. Im Zweifel gelten Personen auch als Zivilisten. Auch Verbrecher wären dann jedenfalls im ersten Ansatz Zivilisten. Und Zivilisten dürfen nicht gezielt getötet werden, auch nicht im Krieg. 

Die USA bewegen sich ja aktuell nicht nur vor Venezuela ausserhalb des Völkerrechts, sondern in vielen anderen Gebieten auch.

Drogenschmuggler wären Zivilpersonen?

Ja, sie sind zwar Verbrecher, aber sie sind damit nicht Soldaten oder Kombattanten. Sie haben das Recht auf einen Strafprozess und können strafrechtlich verurteilt werden. Sie könnten dann sogar zum Tode verurteilt werden, weil es international weltweit noch keine klare Ächtung der Todesstrafe gibt. Aber erst nach einem ordnungsgemässen Prozess durch eine gezielte Tötung wird ihnen das Recht auf Leben und das Recht auf einen fairen Prozess genommen.  

Geheimes Video soll gezielte Tötung angeblicher Schmuggler zeigen

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Es sei das Verstörendste, was er in seiner Zeit als Politiker gesehen habe, sagt der demokratische US-Parlamentarier Jim Himes. Er bezieht sich auf ein Video, das zeigen soll, wie zwei Männer, die sich nach einem ersten Angriff an Wrackteilen festhalten, ein zweites Mal angegriffen und durch eine Rakete getötet werden. Den Befehl dazu soll US-Verteidigungsminister Pete Hegseth gegeben haben.

Die USA sprechen von einem «War On Drugs»: Seit September greifen die USA im Namen der Operation «Southern Spear» Boote von angeblichen Drogenschmugglern aus Venezuela an. Seither sollen über 20 Boote angegriffen und 90 Menschen ums Leben gekommen sein.

Wer könnte die USA zur Verantwortung ziehen?  
 
Bei Menschenrechtsverletzungen können sich in erster Linie die Opfer gerichtlich wehren. Zuerst vor den staatlichen Gerichten der USA. Es gibt nur wenige internationale Gerichte, die dann dafür zuständig wären. Aber es kann auch Druck von anderen Staaten ausgeübt werden. Zum Beispiel hat sich der Hochkommissar für Menschenrechte auch schon geäussert. Auch Frankreich hat von Menschenrechtsverletzungen gesprochen. Die USA bewegen sich ja aktuell nicht nur vor Venezuela ausserhalb des Völkerrechts, sondern in vielen anderen Gebieten auch. Und da sie militärisch und wirtschaftlich sehr mächtig sind, ist der Druck, den andere Staaten ausüben können, sehr gering. 

Mann.
Legende: Keystone/YURI GRIPAS


 

Gäbe es denn überhaupt legale Mittel, um solche angeblichen Drogenboote zu stoppen?  
 
Ja, es gibt viele internationale Abkommen zur Bekämpfung des Drogenhandels. Hier verpflichten sich die Staaten, polizeilich zusammenzuarbeiten und auch Drogenverbrechen in ihrem eigenen Recht zu kriminalisieren und zu verfolgen. Hier gibt es viele Möglichkeiten, da muss man aber kooperieren und nicht im Alleingang handeln. 

Das Gespräch führte Isabelle Maissen.

 

News Plus, 05.12.2025, 16:00 Uhr ; 

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