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Verbot von Elfenbein Chinas Kurswechsel bedroht das lokale Kunsthandwerk

Filigrane Skultpuren, Ringe, Schlüsselanghänger – Chinas Mittelschicht steht auf Elfenbein. Doch die Regierung will alle Verkaufsstellen schliessen.

Es klingt und riecht wie beim Zahnarzt. Es wird gebohrt und gefräst, an Elefantenzähnen. Zwei Elfenbeinschnitzer, mit Mundschutz sitzen hinter Tischen, in der rechten Hand ein Bohrer. Weisses Pulver überall, die Tischplatte und der Boden sind davon zugedeckt.

Eine junge Frau fräst ein Blumenmuster in einen Klumpen Elfenbein – es soll später ein kleines Tässchen werden. Ihr Chef schaut ihr über die Schulter: Zheng Suisheng heisst er – Meister seines Fachs.

Martin Aldrovandi

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Martin Aldrovandi ist seit 2016 Korrespondent für Radio SRF in Nordostasien mit Sitz in Schanghai. Zuvor hatte er mehrere Jahre lang als freier Journalist aus dem chinesischsprachigen Raum berichtet.

«Schauen Sie wie sie lachen»

Zheng Suisheng lernte die Elfenbeinschnitzerei mit gerade mal 17 Jahren von seinem Vater. Heute ist er 58 und führt sein eigenes Geschäft: eine kleine Manufaktur und einen Laden im ostchinesischen Wenzhou.

Von der Werkstatt führt Meister Zheng Suisheng die Besucher nach vorne, in die Verkaufsräume – er öffnet eine Vitrine – vorsichtig nimmt er ein Kunstwerk heraus.

«Schauen Sie, wie sie lachen», Zheng Suisheng zeigt auf die kleinen Figuren, die in den Elfenbein-Zahn hinein graviert sind. «Baxian Guohai» – es sind die acht Heiligen aus der chinesischen Mythologie. Kleinste Details wie einzelne Barthaare der Heiligen sind sichtbar. Drei Monate hat Zheng Suisheng daran gearbeitet.

«Elfenbein trägt Kunst und Kultur»

«Die Gesichtsausdrücke der Figuren, ihre Kleider, die Falten – das ist viel schwieriger, als zum Beispiel Bäume oder Pflanzen – die kann man nach eigenem Gutdünken schnitzen», so Zheng Suisheng.

Auf umgerechnet 45'000 Franken schätzt Zheng Suisheng den Marktwert des filigranen Kunstwerks – doch zum Verkauf steht es nicht, die acht Heiligen will er als Andenken für sich behalten.

Fang Shuhua.
Legende: Fang Shuhua, chinesischer Kunstexperte: «Elfenbein gehört zum kulturellen Erbe Chinas.» SRF

Die Elfenbeinschnitzerei reicht weit in Chinas Kulturgeschichte zurück – weiss der bekannte chinesische Kunstsachverständige Fang Shuhua: «Elfenbein ist wie ein Medium, das die Kunst und Kultur der Chinesen weiterträgt, seien es Bilder oder auch Zeichen. Elfenbein wird seit der Shang-Dynastie vor rund 3000 Jahren genutzt.»

«Es war ein grosser Fehler»

Vor rund zehn Jahren erklärte die chinesische Regierung die Elfenbeinkunst zum kulturellen Erbe der Nation. Darauf kaufte China legal mehrere Dutzend Tonnen aus afrikanischen Ländern.

Die Idee dahinter: Chinas Elfenbeinschnitzer sollen die Kunst weiter pflegen können, gleichzeitig sollte die Wilderei eingedämmt werden. Unterstützt wurde das Vorhaben auch von der internationalen Artenschutzorganisation Traffic, die eng mit dem WWF zusammen arbeitet.

Wir dachten, wir könnten mit legal importierten Elfenbein die Nachfrage auf dem Markt sättigen. Aber das war ein grosser Fehler.
Autor: Zhou Fei China-Chef von Traffic

Zhou Fei ist der China-Chef von Traffic. Er sagt, den legalen Kauf zu unterstützen, sei im Nachhinein ein grosser Fehler gewesen: «Wir mussten dafür einen hohen Preis zahlen. Wir dachten, dass wir mit dem legal importierten Elfenbein die Nachfrage auf dem Markt sättigen können. Doch stattdessen entstanden zwei Märkte: ein legaler und ein illegaler. Die Behörden konnten die beiden Märkte nicht voneinander unterscheiden.»

Zhou Fei
Legende: Zhou Fei, China-Direktor der Tierschutzorganisation Traffic, hat sich für das Verbot stark gemacht. SRF

«Regierung ist sich ihres Rufs sehr bewusst»

So wurde unter dem Deckmantel des legalen Elfenbeins noch mehr illegales Elfenbein ins Land geschafft. Anstatt die Nachfrage zu stoppen, nahm sie weiter zu.

Doch nun die Kehrtwende: China will bis Ende Jahr den Handel mit Elfenbein auch im Inland verbieten. Und handelt damit schneller, als die Nichtregierungsorganisationen ursprünglich erwartet hatten: «Die chinesische Regierung ist sich ihres Rufs im Ausland sehr bewusst. Das Image Chinas wurde durch den Elfenbeinhandel international beeinträchtigt. Dazu kommt, dass China mit den neuen ‹Belt and Road›-Handelsrouten, verstärkt auf die Arbeit mit anderen Ländern angewiesen ist», sagt Zhou Fei.

Das Image Chinas wurde durch den Elfenbeinhandel international beeinträchtigt.
Autor: Zhou Fei China-Chef von Traffic

Doch: Wie wird das Handelsverbot in China umgesetzt werden? Einfach werde es nicht sein, sagt Zhou Fei, denn: China ist gross, und die südchinesischen Grenzstädte sind weit von der Zentralregierung entfernt.

Antiquitäten sind nicht betroffen

«Es gibt über 2000 kleine Strassen, die über die Grenze von Vietnam nach China führen. Auf der vietnamesischen Seite werden Elfenbeinvorräte gelagert, und Schmuggler können diese über die Grenze bringen, die Polizei kann nicht alle Kanäle gleichzeitig kontrollieren», so Zhou Fei.

Dazu kommt: Es wird auch in China Ausnahmen geben. So sind Antiquitäten nicht vom Verbot betroffen, und auch in Hongkong ist der Elfenbeinhandel noch erlaubt. Trotzdem ist Zhou Fei zuversichtlich: «Unter dem neuen Gesetz ist der Handel von Elfenbein im Inland illegal. Man kann das illegale Elfenbein nicht mehr hinter legalem Elfenbein verstecken. Es wird einfacher das Gesetz durchzusetzen.»

«Das wird nicht so einfach»

Zheng Suisheng.
Legende: Bis Ende Jahr soll Zheng Suisheng seine Schnitzerei schliessen. SRF

Vom Verbot ist auch Zheng Suishengs Atelier und Verkaufsgeschäft betroffen. Bis spätestens Ende Jahr muss er schliessen. Dabei habe er sein Elfenbein legal erworben – es sei frustrierend, dass er wegen Schmugglern bestraft würde.

«Unsere Arbeiter haben sehr viel Zeit investiert in dieses Kunsthandwerk. Was sollen sie nun tun, einfach einen anderen Job suchen? Das wird nicht so einfach», sagt Zheng Suishengs.

Die internationalen Nichtregierungsorganisationen würden sich darüber wohl keine Gedanken machen, ärgert er sich. Auch nicht darüber, was mit den bestehenden Kunstwerken passieren soll. Er könne sich vorstellen, sagt Meister Zheng Suishengs, sie in einem Museum auszustellen, doch davon leben könne er natürlich nicht.

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